Reis und Leute
In so vielen Ländern Südostasiens ist der Bus das Transportmittel Nummer 1. Sie sind es, die die Städte und die Dörfer miteinander verbinden. Klar gibt es auch Länder die über viele Flugplätze oder ein gutes Zugnetz verfügen. Ich denke da an Malaysia mit seinen vielen Landebahnen oder Indien mit seinem riesigen Schienensystem. Doch in vielen anderen Ländern sind die tausende von Bussen der Weg zum nächsten Ort. Da sind auch die Philippinen keine Ausnahme und deshalb sitze ich am Sonntagabend um 21:00 Uhr in einem Nachtbus von Manila nach Banaue im zentralen Hochland. Beide Orte liegen auf
Luzon, der grössten der rund 7100 Inseln der Philippinen.
Eine ganze Menge Inseln was? Nur noch Indonesien toppt die ehemalige Spanische Kolonie mit rund 10‘000 weiteren Eilanden! Spanisch? Ja, genau. Es gibt nur eine Handvoll Länder in Südostasien, die nicht kolonialisiert wurden. Und die Philippinen gehören nicht dazu. Rund 300 Jahre haben die Spanier hier regiert. Sie haben den Katholischen Glauben eingeführt, den auch noch heute mehr als 90% der 100 Millionen Filipinos praktizieren.
1565 beanspruchten sie die Philippinen als ihre Kolonie und gliederten sie Neuspanien an. Der Islam, die damals neben dem Buddhismus vorherrschende Religion, war noch nicht tief verwurzelt und so viel es den Spaniern nicht schwer das Inselreich grösstenteils friedlich zum Christentum zu konvertieren. Übrigens: der Staat wurde vom „Entdecker“ Ruy Lopez de Villalobos nach dem damals spanischen Thronfolger Philipp II benannt. Las Islas Filipinas.
Die Macht der Spanier in der Welt schwand und eine neue Philippinische Mittelschicht etablierte sich, die es sich durch den internationalen Handel gar leisten konnte ihre Kinder in Europa studieren zu lassen. Doch die Filipinos wollten Gleichberechtigung und Sitze in den spanischen Cortes um mitbestimmen zu können. Ausgerechnet die katholische Kirche in den Philippinen initiierte diese Bewegung. Später ging es denn auch um die Unabhängigkeit von Spanien, das eh nicht mehr viel zu melden hatte und sich in einem Krieg mit Amerika befand. Die Amerikaner versenkten die spanische Flotte in der Bucht von Manila und wollten die junge philippinische Republik, die 1898 ausgerufen wurde, nicht anerkennen.
Stattdessen führten sie die nächsten 3 Jahre einen gnadenlosen Eroberungskrieg in welchem eine Million Filipinos – damals 20% der Gesamtbevölkerung – umgebracht wurden.
Nach mehr und mehr Zugeständnissen und Rechten für die Einheimischen, wurden die Philippinen schliesslich nach der Japanischen Besetzung im zweiten Weltkrieg – die noch einmal eine Million Tote forderte – 1946 offiziell in die Unabhängigkeit entlassen.
Die Fahrt ist holprig und anscheinend herrscht auch mitten in der Nacht sehr viel Verkehr auf Luzons Strassen. So überholt der Fahrer immer wieder irgendwelche, die Hügel hinaufschleichenden Lastwagen, tritt abrupt auf die Bremse und beschleunigt dann wieder. Wenigstens gehört er nicht zu den notorischen Hupern, denke ich. Doch Schlaf bekommt man nicht wirklich auf diesem Trip. Als sich der Bus Um 05:00 Uhr morgens die engen Bergstrassen hinaufschlängelt, bestaune ich die wunderschöne Berglandschaft in der Provinz Ifugao.
Schliesslich erreicht der Bus kurz nach 07:00 Uhr das Ziel. Das Bergdorf Banaue. Ca. 10‘000 Menschen leben hier, die meisten von ihnen gehören den Ifugao an, einem sehr alten Bergvolk. Die Provinz ist auch nach ihnen benannt. Da ich in meiner Unterkunft erst nach 09:00 Uhr einchecken kann, mache ich eine kurze Erkundungstour ins Dorfzentrum zu Fuss.
Am Nachmittag würde ich mir dann die Reisterrassen in Banaue ansehen, die ca. 5km vom Dorfzentrum entfernt sind. Doch dazu kommt es nicht, denn nachdem ich mich in meinem Zimmer eingerichtet habe, verlangt die letzte Nacht ihren Tribut und ich schlafe bis 19:00 Uhr, hahaha. Die Unterkunft mit dem Namen „Rice Homestay“ ist cool und das Personal, alles Familie, superfreundlich. Sie geben sich grösste Mühe, mir ein Gefühl von zu Hause zu geben. Für Morgen habe ich einen Fahrer gebucht, der mich zu den Reisterrassen von Batad bringen wird, die im Gegensatz zu denen von Banaue, noch auf der Liste der Weltkulturerbe der UNESCO stehen. Die UNESCO sei sehr strikt, erzählt man mir, und wenn zu viele Veränderungen an der Umgebung vorgenommen werden, wird ein Ort von der Liste gestrichen. Das ist mit den Terrassen von Banaue passiert. Hier ein paar Infos zu den Reisterrassen:
Die Terrassen, die einen Großteil der Provinz bedecken, sind ein Beispiel für die umfassende Gestaltung einer Landschaft durch den Menschen.
Seit vermutlich 2000 Jahren werden auf einer Höhe von 700 bis 1500 Metern die Berghänge mit Stützmauern terrassiert und für den Anbau von Reis und Gemüse bewässert.
Dabei werden alle Flächen, bis zu einer Hangneigung von 70 Grad, ausgenutzt. Die Mauern sind die einzigen präkolonialen Steinbauten auf den Philippinen.
Bau und Unterhaltung der Terrassen unterliegen bis heute den traditionellen Regeln der indigenen Ifugao. Oberhalb der Felder werden private Wälder (Muyong) unterhalten, um die Wasserversorgung zu sichern. Keine Terrasse darf den Fluss des Wassers zur nächsten tiefer liegenden Ebene aufhalten, die gesamte Wassermenge wird durch Dämme, Gräben und Bambusröhren in gemeinschaftlichem Besitz gleichmäßig verteilt.
Von einer Fläche von einem Quadratmeter in einem Reisfeld, kann man ca. 1kg Reis ernten
,erklärt mir Don Don, mein Fahrer für heute Dienstag. Die Arbeit auf den Terrassen sei hart, sagt er, weshalb sich nicht mehr genügend Nachwuchs findet, der gewillt ist diese nicht sehr einträgliche Arbeit zu leisten. Die meisten Bauern hier seien älter als 40. Nicht einmal genügend Reis für den ganzjährigen Eigenbedarf kann mehr geerntet werden, so muss hier sogar Reis von anderen Orten eingekauft werden.
Wir erreichen das Ende der kurvigen Bergstrasse, wo Don Don Pause machen wird und ich zu den Reisterrassen wandern kann. „Take your time.“, sagt er noch. Ich solle mir ruhig genügend Zeit lassen. So um die drei Stunden rechnen wir beide bis zu meiner Rückkehr ein. Dazu später mehr. Nachdem ich ein kurzes Stück Hochlandwald durchquere, das mich sehr an die Cameron Highlands in Malaysia erinnert, erblicke ich die gewaltigen Reisterrassen. Wow staune ich.
Ich wandere nach unten und komme dem Dorfkern immer näher. Unten angelangt, suche ich wieder nach einem Weg nach oben und durchquere dabei ziemlich sicher einige Gärten, die ich nicht sollte. Aus der Ferne lachen mich einige Filipinos aus, haha. Doch schlussendlich finde ich meinen Weg und lande wieder oben, wo ich gestartet bin. Rechtzeitig. Denn fünf Minuten nach meiner Ankunft regnet es in Strömen.
Nun kommen einige völlig verregnete Filipinos an. Die hatten Pech, denke ich mir. Es entsteht ein wenig Smalltalk und plötzlich stellt sich heraus, dass sie es waren, die mich ausgelacht haben, als ich unten den Weg nicht gleich gefunden habe, hahaha. Sie sind superfreundlich und interessiert. Kristine und ihre Freundin Airam mit ihrem Mann. So ergibt sich eine Situation, die mir in Erinnerung bleiben wird:
Eine Diskussion über die Identität der Filipinos, bei Bier und Gin – gemischt mit Grüntee – vor einer betörenden Bergkulisse während der Regen auf das Wellblechdach des Hauses niederprasselt.
Die drei mögen mich und als ich um 17:00 Uhr, nach einigen Versuchen, tatsächlich aufbreche, waren schon sieben, anstatt 3 Stunden vergangen, seit ich Don Don zurückgelassen hatte. In der Zwischenzeit hat sich die Strasse in einen Fluss verwandelt und als ich über sie laufe, saugen sich meine Schuhe und die Socken mit Wasser voll. Der Fahrer Don Don ist noch da und scheint auch gar nicht verärgert zu sein, als er mich sieht. Wir fahren zurück.
Ich nehme das Abendessen ein. Mein Favorit in den Philippinen ist Adobo. Das ist ein Fleischgericht, entweder mit Hühnchen oder Schwein, an einer Essig- und Sojasauce. Früher hat man Essig auch als natürliches Konservierungsmittel benutzt um so das Fleisch länger haltbar zu machen. So hat sich das Gericht bis in die heutige Zeit in den Philippinen durchgesetzt. Dann gucke ich mir ein paar Folgen der Serie „House of Cards“ an und gehe schlafen. Morgen würde ein langer Tag werden, da ich von Banaue über Tarlac – um Lim einzusammeln – bis nach Mabalacat kommen müsste und dies vor 22:00 Uhr Abends.
Wie das abgelaufen ist, gibt’s im nächsten Beitrag! Danke fürs Lesen!
2 Replies to “Reis und Leute”
Jay! Hahahaha! Finally back in civilization and just got on the interwebs! You’re in Baguio! Too bad I wasn’t able to proceed there. Just kept extending my stay in Batad up to the point where I could no longer do it because needed to catch my flight back to Davao. Told you, when I’m in Batad, I don’t ever want to leave. Hope you’re having fun in crowded Baguio and hope it’s not downpouring all the time! Was such a pleasure to meet you! Love love love!
You are the nature woman! Thanks for reading. I enjoyed meeting you too. There is a saying: you always meet twice in life 😉 Best regards