Integration in Südafrika

Integration in Südafrika

Ich bin doch so blööööd, denke ich mir, als die Sicherheitskontrolle im internationalen Flughafen von Kuala Lumpur beendet ist. Sie war gründlich, denn mein schönes, nicht einmal 3 Monate altes Schweizer Taschenmesser wurde mir abgenommen. Natürlich, ich hatte es ja auch in meinem Handgepäck. Naja, selber schuld. Im Wartebereich des Gates bin ich praktisch die einzige Person mit heller Haut. Wir gehen an Bord des Flugzeugs und ich bin überrascht: Ethiopian Airlines präsentiert sich nicht etwa als fliegender Schrottplatz sondern als topmoderne Zivilluftfahrt! Eine brandneue Boeing 787 mit neuem Touchscreen Unterhaltungssystem. Ein wirklich herausgeputztes Flugzeug.

Der Flug von Kuala Lumpur nach Bangkok dauert nicht lange, nur 2 Stunden. Hier tanken wir das Flugzeug auf und laden zusätzliche Passagiere ein, bis es dann nach etwa einer Stunde weiter nach Addis Abeba, der Hauptstadt von Äthiopien geht. Ethiopian Airlines ist die grösste und zugleich modernste Airline ganz Afrikas. Die Flotte verfügt über neueste Boeing 787 und 777. Von ihrem HUB in Addis Abeba – der derzeit vergrössert wird – erreicht man praktisch den ganzen Kontinent. Ich bin sehr überrascht und darf auch hier wieder einmal sagen:

der Rest der Welt schläft nicht, während wir uns in Europa auf unseren Standard berufen.

Am Flughafen nerven mich einige laute Chinesen. Gott sei Dank muss ich nicht lange warten, bis ich wieder im nächsten Flugzeug nach Kapstadt sitze. Wieder eine 787. Die Fenster können elektronisch mit zwei Knöpfen gedimmt werden. Neben mir sitzen zwei Inder und der Rest der Familie ist auf den Sitzplätzen vor und hinter mir verteilt. Die Landschaft, die wir überfliegen ist atemberaubend:

Als ich das Flugzeug in Kapstadt verlasse sehe ich die Riesenschweinerei, die die Inder angerichtet haben: Essensreste und Abfall auf den Sitzen und am Boden. Naja.

Am Flughafen treffe ich Debi und Johan! Und Suna, Johans Mutter und Martin, seinen Bruder. Der Empfang ist herzlich und ich fühle mich sofort aufgenommen. Martin fährt uns in seinem Auto nach Worcester – ausgesprochen Wuster – eineinhalb Stunden nördlich von Kapstadt. Auch den Namen der berühmten Worcestersauce spricht man hier so aus: Wustersauce. Wir tauschen uns aus und machen Witze. Meine Schwester Debi bringt ihr Englisch auf Vordermann hier 😉 Die Landschaft, die wir auf der Fahrt zu sehen bekommen ist abwechslungsreich und sehr interessant. Der Tafelberg, die vielen anderen Berge und Hügel, die Wälder, die trockenen Steppen.

Wir kommen beim Haus von Suna an. Sie lebt alleine mit ihrem Kater Blacky. Johans Vater ist 2015 verstorben. Das Haus ist gross! Es hat zwei Wohnzimmer, zwei Büros und drei Schlafzimmer! Debi und Johan bekommen ein eigenes Zimmer, so wie ich. Wow. Es gibt Kaffee und wir tauschen uns weiter aus. Martin lebt ebenfalls in Wuster, nicht weit von Sunas Haus. Doch der Abend währt nicht lange, da wir alle müde sind und uns bald schlafen legen.

Am nächsten Morgen gibt’s Frühstück. Dann machen wir gemeinsam den Abwasch. Suna hat zwar eine Spülmaschine, doch die benutzt sie nur um das Geschirr trocknen zu lassen, nachdem sie es von Hand abgewaschen hat. Momentan herrscht eine Wasserknappheit in der Region. Es hat lange nicht geregnet und es ist untersagt den Garten zu wässern. Suna tränkt ihre Pflanzen mit dem Restwasser vom Abwasch. Nach der Hausarbeit geht’s ab ins lokale Einkaufszentrum. Wir wollen uns eine Südafrikanische SIM Karte holen. Die bekommen wir dann auch. Eine Karte der Telkom mit 3GB mobilem Datenvolumen gibt’s für 199 Südafrikanische Rand. Das sind ca. 15 Franken. Dazu gibt’s gratis WiFi an den Telkom Hotspots. Doch das können Debi und Johan nicht nutzen, da ihre in Europa gekauften iPhones nicht über die PEAP Einstellungen verfügen. Blöde Sache. Mit meinem Sony Android geht’s 😉

Im Einkaufszentrum beziehen wir dann auch gleich etwas Geld und bleiben gleich zum Mittagessen. Doch zu lange dürfen wirnicht verweilen, denn wir haben einen Termin an diesem Freitagabend! Suna holt uns wieder mit dem Auto ab.

Johan darf in Südafrika nicht Autofahren und Debi und ich haben keinen internationalen Führerausweis.

Also ist Suna jeweils so freundlich und fährt uns hin und her. Zeit uns bereitzumachen für den Anlass heute Abend: das erste Klassentreffen von Johans Schule seit 30 Jahren! Er sagt immer wieder, dass er sich an 99% seiner Schulkameraden nicht erinnern kann. Trotzdem möchte er hingehen. Es würde lustig werden, denke ich, denn Debi und ich würden bestimmt gar niemanden kennen, hahaha.

Da sind wir also. Im Klubhaus des Rugbyvereins von Johans ehemaliger Schule.

„Heeey!“,

hören wir immer wieder, als sich die Schulkameraden erkennen und aufeinander zugehen um sich zu begrüssen und sich auszutauschen. Tja, Debi und ich können zu niemandem „heeeey“ sagen, da wir niemanden kennen. Trotzdem fühlen wir uns an der Bar nicht fern von zu Hause, denn die Atmosphäre entspricht ziemlich genau der im Klubhaus des FC Triengen, hahaha. Inklusive der Leute, die ausgiebig trinken. Wir lernen Cathleen kennen, eine Immobilienmaklerin und Affäre von einem der Klassenkameraden. Dieser spricht sogleich auch Johan an und erzählt von alten Zeiten. Johan hatte sein Zimmer gleich neben seinem gehabt, sagt er. Leider kannte Johan ihn nicht wirklich und konnte sich auch nicht erinnern, hehehe. Was auch immer. Die meisten von ihnen erinnern sich sofort an Johan. Er ist auch einer der wenigen, die sich äusserlich kaum verändert zu haben scheinen.

„Die anderen sind dick geworden.“

sagt er. Das fällt auf und viele von den ausschliesslich weissen Männern sind riesengross, stark gebaut und dick. Die einzigen die dünn sind, sind Johan, ich, Debi und die anderen Frauen. Da gibt es allerdings noch eine Ausnahme: die Lehrer. Es sind tatsächlich ein paar von Johans ehemaligen Lehrern anwesend. Einer von Ihnen, Basil, erzählt in einer Mischung aus Stolz und Verwirrtheit, dass er schon 84 Jahre alt sei. In meinen Augen ist er ziemlich betrunken und hält sich auch nicht wirklich zurück mich zu berühren. Aha, der wird wohl an einigen der Männer hier seine Freude gehabt haben, als sie noch seine Schüler waren, denke ich, hahaha.

Nach einigen Bieren gibt’s endlich was zu essen. Doch vorher wird das ganze Klubhaus still, denn es wird gemeinsam gebetet. Ich führe eine nette Unterhaltung mit Cat – also Cathleen – und ihrem „Lover“, der scheinbar Technoparties organisiert und auch mit Drogen zu tun hat, hahaha.

„I don’t drink.“

sagt er, während er eine Flasche Jack Daniels und irgendeinen seltsamen Limettenschnaps auf den Tresen stellt. Aha, okay. Der Abend ist lustig. Wir trinken, lachen und geniessen das Leben. Nach dem Essen, welches ja relativ spät bereit ist – so um 21:00 Uhr und nachdem alle bereits betrunken sind – gehen wir nach Hause.

Phuu, was für ein Vollidiot bist du doch

denke ich, als wir am Samstagmorgen in einem Wohnquartier von Worcester / Wuster am joggen sind. Hättest du doch gestern nicht so viel getrunken und nicht noch diese Zigaretten mit Cat geraucht, höre ich mein Gewissen, hehehe. Egal nach dem Lauf fühle ich mich gut. Duschen und frische Kleider. Suna verwöhnt uns total und macht sogar unsere Wäsche! Dann geht’s ab ins Einkaufszentrum um etwas zu Essen. Wir landen im „Spur“, einer netten, südafrikanischen Restaurantkette. Es gibt richtig geile Burger, hehehe. Dann noch ein wenig Kleider shoppen mit Debi und Johan, hehe. Und noch eine, oder zwei Flaschen Wein.

Heute Sonntag sind wir zu einem Familientreffen eingeladen. Johans Brüder und ihre Familien treffen sich. Martin mit seiner Frau Wendy und Ruben, einem der 3 Söhne aus Wendys letzter Ehe. André mit seiner Frau Cristell und ihren zwei Söhnen Aernan und Bleys. Johan mit seiner Freundin Debbiiii und ihrem Sohn Johnny, ööhhmm Bullshit, ihrem Bruder Johnny. Und natürlich Suna =) Wir speisen in einem Restaurant namens „Spur“….ein reiner Zufall, hahaha. Natürlich gibt’s Burger und ein superfeines Desert mit weisser und brauner Schokolade und Rahm, yummmy.

Tja, Debi und ich sind schon richtig integriert hier in Südafrika: wir wohnen hier, wir machen den Abwasch, kochen, besuchen die Familie, gehen an Klassentreffen, kaufen ein und so weiter, hahaha. Es fühlt sich so an, als ob wir hier wohnen würden.

Johans Bruder Martin hat sich zwei Tage frei genommen und fährt uns am Montag nach Kapstadt. Jetzt wird’s touristisch. Wir kaufen uns Tickets für eine Hop on Hop off Bustour. Das sind diese Touristenbusse, die einen auf einer Rundfahrt zu den Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten in den Städten bringen. Dort kann man dann aussteigen, sich etwas ansehen und nachher einfach den nächsten Bus nehmen. Sehr praktisch um sich einen Überblick zu verschaffen. Wir nehmen die blaue Route, eine ziemlich lange, die auch entlang der Küste verläuft.

Der Südafrikanische Winter ist an diesem Morgen frisch, was man auf dem oberen Deck des offenen Busses gut spürt. An der Hout Bay – der Holzbucht – steigen wir aus. Der Name des Ortes geht zurück auf den Niederländer Jan van Riebeeck, der 1652 im Auftrag der “Vereinigten Ostindischen Compagnie” am Kap eine Siedlung gründete, die den Seefahrern als Zwischenstation auf ihrem Weg von Europa nach Indien diente. Der ursprüngliche Name lautete Hout-Bajken, deutsch: „kleine Holzbucht“, weil die Siedler hier ihren Holzbedarf deckten.

Wir setzen uns in ein Restaurant. Erst an einem Tisch im freien – bis eine der vielen Möven auf Debis Teller scheisst – und dann drinnen, hehehe. Es gibt Fish n‘ Chips. Lecker. Dann geht’s ab auf ein Boot. Wir wollen zu Seal Island, der Seehundinsel fahren um sie zu beobachten. Die Wellen sind gewaltig und das Boot schwappt auf und ab. An den Stränden Südafrikas gibt es die höchsten Wellen der Welt, weshalb so viele Surfer hierherkommen. Die Fahrt ist abenteuerlich und der Skipper scheint zu wissen, was er da tut. Da sind hunderte von Seehunden auf ein paar grossen Felsen. Wenn die Wellen gegen sie schlagen, spritzt das Wasser meterhoch in die Luft. Platz ist Mangelware und Grund zu Kämpfen. Die Säugetiere sind gute Schwimmer und können auch tauchen. Einige von ihnen sogar 200m tief.

Ein cooles Erlebnis und es kackt mich an, dass ich mein 300mm Teleobjektiv in Sunas Haus gelassen habe. Am Morgen hatte ich noch den Gedanken es mitzunehmen, doch ich habe es dann sein lassen. Es wäre perfekt gewesen um die Seehunde näher zu fotografieren. Naja, selber schuld, haha.

Wir machen die Bustour weiter und fahren wunderschönen Buchten und Landschaften entlang. Landschaften wie hier, habe ich noch nirgends auf der Welt gesehen. Es ist hügelig und wieder flach. Mal grün, dann wieder sandig und trocken. Das Meer ist tiefblau und der Himmel satt und fast wolkenfrei. Die Strände hier sind wirklich nicht zum Baden gedacht, denn die Wellen sind praktisch überall hoch und stark.

Debi und ich möchten das Kap der guten Hoffnung sehen. Doch eine Bustour dahin ist nicht gerade günstig. Ob wir mit dem Auto hinfahren können fragen wir Martin. Ja, sagt er und schon sind wir am Dienstagmorgen wieder unterwegs. Doch der erste Stopp ist in einem kleinen Dorf, wo wir Kaffee trinken und uns den Strand ansehen. Hier gibt es einen Tide Pool. Also ein sozusagen natürliches Schwimmbecken, welches sich mit der Flut füllt, das Wasser jedoch bei Ebbe beibehält.

Dann fahren wir zum Boulders Beach. Hier bezahlen wir 70 Rand Eintritt um die wilden Pinguine sehen zu können. Sie sind erstaunlich gute Schwimmer, wie ich feststelle und wie sie sich am Strand verhalten, sieht sehr lustig aus.

Nach einer weiteren ca. einstündigen Fahrt, essen wir in einem kleinen Fischerdorf etwas zu Mittag. Ich kann das ganze fettige Essen nicht mehr sehen und wünsche mir Gemüse. In vielen Restaurants die wir hier besuchen bekommt man immer Pommes Frites und Hamburger oder Fish n‘ Chips oder sonst irgendwelches Fleisch oder auch Teigwaren, aber kaum Gemüse. Und so sehe ich auch hier auf der Speisekarte keinen „Gemüseteller“ oder Gemüse als Beilage. Höflich frage ich nach, ob ich zu meinem Burger anstatt Fritten Gemüse bekommen kann. Welche Sorte Gemüse, fragt die freundliche dunkelhäutige Frau.

“Any vegetables!”,

sage ich. Also egal was, Hauptsache Gemüse. Staunen tue ich dann nicht schlecht, als ich meinen Burger mit verschiedensten Gemüsesorten bekomme: Broccoli, Blumenkohl, Lauch, Butternuss und Karotten! Woooow. Und dazu kriege ich noch den Salat von Martins Menu, den er nicht essen will.

“Ich habe Klauen, keine Hufen!”,

sagt er, hahaha. Martin liebt Fleisch, wie die meisten Südafrikaner. Und Kaffee liebt er auch. So nimmt er den ganzen Tag keinen einzigen Schluck Wasser, sondern nur Kaffee und etwas Soda zum Mittagessen. Nach dem feinen Essen geht es weiter und entlang von wunderschönen Küstenstrassen erreichen wir Komitje, den Geburtsort von Johan und Martins Vater und schlussendlich den südwestlichsten Punkt des Afrikanischen Kontinents.

Interessante Tage liegen hinter uns und mehr entspannende vor uns. So machen wir am Mittwoch nicht viel und gehen abends nur kurz joggen. Suna verwöhnt uns ständig mit leckerem Essen und kümmert sich liebevoll um uns. Gestern allerdings haben wir für sie Abendessen gekocht! Und zwar Älplermagronen. Weder Debi noch ich haben das in der Schweiz je gekocht und ich staune nicht schlecht, als wir beim Einkauf im lokalen Supermarkt Gruyere Käse finden! Supergut ist es uns gelungen und es war eine Freude =)

Gelegentlich hat Johan Mühe mit der Dreisprachigkeit auf dieser Reise: plötzlich spricht er mit Debi und mir Afrikaans, welches wir nicht verstehen. Oder mit seiner Mutter Deutsch, was sie nicht versteht, hehehe. Doch wir alle versuchen möglichst oft Englisch zu sprechen, da dies die einzige Sprache ist, die alle 4 hier im Haus sprechen. Debi hat das Spiel „Rami“ entdeckt. Irgendein Kartenspiel, welches sie, Suna und Johan stundenlang spielen, während ich mit Lim chatte oder telefoniere. Mal sehen, was das interessante Südafrika und seine erstaunlichen Menschen in den nächsten Tagen für uns auf Lager haben 😉

PS: Oh ja, eines steht schon fest: am Sonntag ist wieder ein Familientreffen, diesmal bei Martin zu Hause, hahaha.

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