Im Reich der Berge

Im Reich der Berge

Aus der Reihe: Geschichten aus Indien

Vom 19. März bis 23. März

Ich fühle mich heute nicht besonders. Viel Veränderung liegt in der Luft. Mein Reisepartner Döme würde heute zurück in die Schweiz fliegen und ich würde von nun an alleine in Indien unterwegs sein. Klar habe ich da komische Gefühle dabei. Nichts desto trotz sage ich mir: ach was, ich war schon oft alleine unterwegs und schlussendlich bin ich alleine in diese Welt gekommen und werde sie auch alleine wieder verlassen 😉

Im Terminal 3 vom Flughafen Neu Delhi verabschieden wir uns. Wir machen gefühlte 20 selfies vor dem Abflugsbereich für Inlandflüge und noch mal gefühlte 20 vor dem für internationale Flüge. Dann umarmen wir uns und wünschen uns das Beste. Ich bin den Tränen nahe, ok ich hab sogar ein paar vergossen.

Zack und schon bin ich wieder im Gewusel von Indien. Die meisten Menschen denen ich hier begegne kennen das Prinzip einer Warteschlange nicht. Da wird gedrängelt und vorgeprescht bis zum geht nicht mehr. Da wird rumgeschrien und mit den Händen gestikuliert wie wild. Ungewohnt für mich hahaha.

Der Flug nach Leh hat Verspätung. Mehr als eine Stunde. Nicht tragisch. Ich warte, lese, höre Musik. Dann sitze ich im Flugzeug. Links und rechts von mir Inder. Noch immer bin ich gespannt auf das Wetter in Ladakh. In den letzten Tagen hatte ich die unterschiedlichsten Wetterberichte gesehen. Von 13° bis zu -20° Tagestemperatur war alles drin. Deshalb hatte ich mir ja auch Thermounterwäsche, eine Kappe, dicke Socken und eine gute Jacke in Delhi gekauft. War nicht billig, aber immer noch viel günstiger als in der Schweiz hehe.

Von Flugzeug aus haben wir einen wunderbaren Blick auf die unglaubliche Bergwelt von Ladakh. Es ist atemberaubend diese 6000-8000m hohen Berge zu sehen. Und dann Leh, die Hauptstadt der Provinz Ladakh, die in einer Hochlandwüste, umringt von Bergen liegt. Diese Kontraste: blauer Himmel, weisse Berge, braune Hügel und sandig trockener Boden. Unbeschreiblich.

Ladakh wird von vielen „Little Tibet“ genannt. Ich kann mir gut vorstellen weshalb. Hier leben vor allem Buddhisten, Flüchtlinge aus Tibet, andere ethnische Gruppen als der typische Inder. Die Menschen hier sehen mehr aus wie Chinesen als wie Inder. Ich steige aus dem Flugzeug und kann es kaum fassen: die Sonne scheint und ich habe angenehm warm mit meinem Pullover und den langen Jeanshosen. In der Ankunftshalle, wo die Sonne nicht hineinscheint, beginne ich dann sofort zu frieren. Und nun wird mir auch komisch. Ich fühle, dass ich zu wenig Sauerstoff bekomme. Ich merke wie mein Körper herunterfahren will. Ich kenne das Gefühl vom Tauchen in grösseren Tiefen. Sofort gehe ich zu einer Bank und setze mich hin. Ich stelle alle Aktivitäten ein und versuche ruhig und gleichmässig zu atmen. Ein paar Minuten verweile ich so. Es ist nötig. Mein Körper muss sich an den abrupten Höhenunterschied gewöhnen. Leh liegt auf 3500 Metern über Meer. Delhi, wo ich herkam, auf 200. Langsam merke ich, wie meine Lunge die Situation in den Griff bekommt. Jetzt ist es Zeit die warme Jacke anzuziehen und das Ankunftsformular auszufüllen.

Ein Prepaid Taxi bringt mich zum Yangphel Guest House. Dort treffe ich Yayaati, den Manager. Er fragt mich ob ich eine Buchung habe. Ich sage ja, doch er scheint nichts davon zu wissen. Ich habe online gebucht, sage ich. Und da wird vieles klar: in Leh gibt es seit einem Monat keine Internetverbindung mehr. Weder über das mobile Telefonnetz noch über die Festnetzleitungen.

Ich zeige ihm die Buchung und er mir das Zimmer. Mit Bergblick, sagt er. Schön, sage ich. Doch es nützt nicht viel, denn die Fenster sind mit halbtransparenten Plastikfolien verdeckt, die gegen die Kälte isolieren sollen. Keine Heizung, frage ich. Keine Heizung, sagt er. Du hast zwei dicke Bettdecken, erklärt er. Mehr brauchst du nicht. Das werden wir ja sehen, denke ich mir. Jetzt in der Sonne ist es angenehm. Doch was ist, wenn die untergeht.

Ich ordne kurz meine Sachen und Kleider und gehe dann zu Yayaati. Ich frage ihn, ob es irgendwie möglich ist Verbindung mit der Aussenwelt t aufzunehmen. Es gibt da doch ein paar Menschen, die wissen sollten, dass ich sicher angekommen bin und dass sie in den nächsten Tagen nichts von mir hören werden. Mit Yayaatis Handy versuche ich Döme anzurufen. Er geht nicht ran. Ich spreche auf die Mailbox und erkläre die Situation kurz. Dann entscheide ich, es mit einer SMS zu probieren.

„Hy Döme. Be secher in Leh acho. Do gids sit eim Monet kei Internet. Chasch bitte de Lim, sMami ond dRebi öber dSituation informiere? Danke vell Mol.“

Döme antwortet wenig später, dass er dies erledigt habe. Phu, nun wissen sie Bescheid. Ich gehe zu Fuss ins Dorf. Dort lasse ich ein paar Passkopien und ein paar Passfotos machen, damit ich eine Indische SIM Karte beantragen kann. Doch die freundlichen Verkäufer in einem Mobilfunkladen erzählen mir, dass die Aktivierung bis zu 4 Tage dauern könne. Das gurkt mich an und ich lasse es sein, da ich ja in 4 Tagen sowieso wieder in Delhi sein würde.

Zurück im Guesthouse gehe ich wieder zu Yayaati und wir quatschen ein wenig. Ein Kumpel von ihm ist auf Besuch. Er arbeitet in einem teuren Resort in einem anderen Bereich des Tals. Er sieht sehr gepflegt aus und sein Englisch ist exzellent. Ist es wirklich so, dass das Regierungssystem in der Schweiz einzigartig ist, fragt er mich. Ich erkläre ihm die Sache mit den Gemeinden und den Kantonen und dem Föderalismus. Er staunt nicht schlecht. Ihm gefällt das viel besser als eine Zentralregierung. Mir auch 😉 Er beschwert sich über die Einschränkungen, die hier in Ladakh gelten, da Ladakh zum Bundesstaat Jammu und Kashmir gehört. Dieser Bundesstaat ist umstritten, da die Grenzen mit Pakistan umstritten sind und das Gebiet an einigen Orten Konfliktpotential bietet. Doch dies beschränke sich auf ein kleines Gebiet, sagt er, und wirke sich nicht auf ganz Jammu und Kashmir aus. Und vor allem nicht auf Ladakh, meint er. Ich kenne den Konflikt und die Situation nicht, also sage ich nichts dazu sondern nicke anerkennend. Die beiden rauchen eine Shisha. Ich lehne dankend ab, denn ich habe noch mit dem Höhenunterschied zu kämpfen.

Nun betritt Madeleine den Raum. Sie ist Deutsche und ebenfalls hier im Guesthouse wohnhaft. Gerade eben kommt sie von einer Tour. Mit einer Indischen Familie war sie unterwegs. Dem Kind haben die dargebotenen Attraktionen (Tempel und Museen) scheinbar nicht viel gesagt und so war es ein ziemliches Gehetze, erfahren wir. Wenn Madeleine, oder Maddy, wie ihre Freunde sie nennen, einverstanden ist, werden wir Morgen zusammen auf eine Tour gehen. Hoffentlich würde sie mit mir weniger Gehetze haben. Das mag ich ja meistens auch nicht, haha.

Als sich der Teil der Weltkugel wo ich mich befinde immer weiter von der Sonne wegdreht, wird mir noch mehr bewusst, wie kalt es hier ist. Ich trage bereits einige Kleidung auf mir, doch warm wird mir nur an der Sonne und die verabschiedet sich jetzt. Also gehe ich ins Zimmer.

Es sieht soooo gemütlich aus…..ist es aber nicht, weil es arschkalt ist, da es keine Heizung gibt.

Bevor ich aufs Zimmer ging hab ich mit Maddy noch kurz über die Kälte gesprochen. Gab ihr einen Tipp: eine Petflasche mit heissem Wasser füllen und sie unter die Bettdecke legen. Nur habe ich jetzt kein heisses Wasser im Zimmer. Ach was solls, denk ich mir. Ich würde jetzt noch einen Film schauen und dann schlafen. Doch das mit dem ins Bett gehen will geplant sein. Zähne putzen in der vollen Montur, in Schlafkleidung ist es zu kalt. Alle Lichter soweit ausmachen, dass ich das letzte vom Bett aus ausmachen kann. Noch einmal unter der Bettdecke hervorkriechen und ein vergessenes Licht ausmachen? Dazu ist es zu kalt! Blase leeren, denn auch zum noch mal kurz pinkeln in reduzierter Kleidung ist es zu kalt. Ist das Wasser griffbereit, falls ich in der Nacht Durst habe? Es muss alles in Griffnähe sein. Also mache ich das alles. Dann stehe ich nebens Bett und fange an mich auszuziehen. Kappe, Sturmhaube, Jacke, Pullover, Schuhe, Jeanshosen. Die Thermowäsche behalte ich an, ebenso wie die Socken. Dann ab unter die Decke und Hände und Füsse reiben um warm zu bekommen. Die Kappe ziehe ich wieder an, denn meine Ohren sind zu kalt.

In der Nacht wache ich immer wieder auf, da draussen Hunde bellen und ich mir die Höhe immer noch nicht gewohnt bin. Ich kann euch sagen: am Morgen bei diesen Temperaturen aufzustehen ist knallhart. Da ist man schon froh wenn einem auf dem kalten WC Reifen der Dampf des warmen Urins ein ganz kleines bisschen anwärmt. Naja, ich wollte ja ausserhalb der Saison nach Ladakh, selber schuld, denke ich. Schnell anziehen, alles einpacken und runter in den Garten an die Sonne setzen, da bekommt man warm. Maddy sieht so motiviert aus wie ich heute Morgen. Wir frühstücken – Toast mit Butter und Marmelade und Tee – und dann geht’s auch schon los. Heute würden wir uns ein paar Kloster ansehen.

Erster Stopp ist der Shey Palast im Ort Shey. Es war einmal eine königliche Hauptstadt. Der Palast stammt aus dem 17. Jahrhundert. Wir schlendern durch den Palast und das angrenzende Kloster.

Dann geht’s weiter nach Thiksey. Dieses Kloster ist noch grösser und steht hoch auf einem Hügel.

Zeit zum Mittagessen. Im kleinen Dorf Karu setzen wir uns an einen Tisch draussen vor einem Lokal wo viele Einheimische sitzen. Unser Fahrer wollte uns eigentlich an einen anderen Ort bringen, wir glauben dass er etwas „Westlicheres“ für uns suchen wollte. Doch Madeleine kennt Indien bereits bestens und ist eine erfahrene Travellerin, genauso wie ich zwischenzeitlich weiss, dass billige Plastikstühle und viele Einheimische / Locals gutes Essen bedeuten 😉 An der Sonne wird es sogar richtig warm und wir können unsere Jacken ausziehen.

Nach der Stärkung geht’s zum 1672 erbauten Hemis Kloster. Hier sind einige jüngere Novizen ganz fasziniert von uns, hehe. Das hier ist das spirituelle Zentrum der Drupka Buddhisten in Ladakh.

So langsam haben Maddy und ich die Klostersache gesehen und entscheiden uns, noch ein letztes auf dem Heimweg anzusehen. Matho soll es sein. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick über das Industal. Besonders schön sehen die hunderte von Gebetsfahnen im Sonnenuntergang aus.

Ich bin müde und es geht zurück nach Leh. Maddy und ich möchten nicht im Gueshouse essen. Wir gehen in ein kleines Cafe, welches ein wenig besser isoliert ist, als das Restaurant in welchem ich gestern zu Abend gegessen habe. Madeleine hatte davon erzählt und als ich hörte, dass die Chance darauf besteht wenigstens ein bisschen wärmer zu haben als in unseren Zimmern, war ich sofort einverstanden 😉 Wir unterhielten uns und das Essen war gut. Madeleine arbeitet derzeit in Laos, doch hat zuvor auch zwei Jahre in Indien gearbeitet. Das Gespräch ist sehr interessant und wir verstehen uns gut. Ich bin froh, dass ich einige Zeit mit ihr verbringen darf. So cool, dass wir uns getroffen haben, denn ich dachte schon am Flughafen von Delhi, dass jetzt das grosse Alleinsein beginnt 😉

„Five to six hours for one way.“

sagt Yayaati. Das ist aber lange für einen Hinweg….und da ist der Rückweg noch nicht drin, denke ich. Also ungefähr 12 Stunden würde es dauern um von hier aus zum berühmten Pangong See und zurück zu fahren. Ein Tag im Auto, denke ich. Aber den See möchte ich schon sehen. Und so brechen Maddy und ich am nächsten Morgen um 07:00 Uhr auf. Ok wir wollten um 07:00 Uhr aufbrechen, doch das Frühstück wurde doch recht verspätet angerichtet und so gings dann eine halbe Stunde später los. Der Franzose, welcher ebenfalls im Guesthouse wohnt, wollte nicht mitkommen, als wir ihn gestern gefragt hatten. Überhaupt wollte der nicht wirklich mit uns sprechen. So eine Art Einsiedler. Naja, jeder muss selbst wissen. Vielleicht sahen Maddy und ich ja einfach bedrohlich aus in unserer Wintermontur….ok Maddy ist nicht gerade klein, so ziemlich genau gleich gross wie ich, haha.

Wir haben einen anderen Fahrer und auch ein anderes Fahrzeug heute, einen sogenannten Xuv oder Sux, weiss nicht mehr genau. Vierradantrieb also. Das würden wir auch benötigen um über den über 5000m hohen Chang La Pass zum See zu kommen. Yayaati sagte uns schon, dass man momentan zum See könne, aber wenn der Fahrer merke, dass zu schlechtes Wetter aufzieht, werde er umkehren. Der Grund weshalb ich nach Leh geflogen bin ist, dass es momentan nur aus der Luft erreichbar ist. Die Passstrassen die nach Leh führen sind derzeit gesperrt und die sind an den höchsten Stellen auch auf über 5000m. Also frage ich mich die ganze Zeit, was uns wohl heute erwarten würde.

Doch ein ganz anderes Problem verlangt unsere vollste Aufmerksamkeit. Wir würden jetzt 5 oder 6 Stunden in diesem Auto sitzen. Draussen ist es arschkalt, ja wir haben in kalten Zimmern geschlafen und jetzt gibt es im Auto eine Heizung! Doch irgendwie funktioniert das Miststück nicht richtig. Vor 10 Minuten baten wir den Fahrer sie anzumachen. Er hat auf Frontscheibe eingestellt. Maddy und ich wollen Füsse. Wir sehen uns alle Knöpfe an.

„Drück mal den da, bitte.“

fordere ich sie auf. Sie betätigt den Knopf. Es wird auch nicht wärmer. Es hat einen Knopf für die Klimaanlage, einen für die ökologische Klimaanlage, und ein paar andere. Wir probieren und probieren. Keine Ahnung was der Fahrer denkt. Es wird einfach nicht wärmer. Im Dorf Karu biegen wir links ab und die Strasse schlängelt sich nach einigen Kilometern dramatisch an den Bergen entlang hoch. Wir kommen immer höher und den Wolken immer näher. Plötzlich Schnee. Die Fahrbahn wird weiss. Immer wieder fahren wir an Menschen vorbei, die an der Strasse irgendwie Schneeschaufeln oder einfach dasitzen.

„Ob das wohl Sträflinge sind, die hier arbeiten müssen?“, denkt Maddy laut. Keine Ahnung. Die sind teilweise mitten im Nirgendwo. Keine Autos stehen da, nur die Menschen. Keine Rucksäcke mit Zelten oder so, nur die Kleider die sie tragen. Nun sehen wir nicht mehr ins Tal. In meinen Ohren spüre ich die drastische Steigung. Mittlerweile ist es angenehm warm geworden im Auto. Irgendwie scheint die Heizung erst nach ein, zwei Stunden zu funktionieren, haha. Zu meinem Glück ist meine Nase verstopft, so muss ich nicht wie Maddy mitriechen, dass der Fahrer wohl seit einigen Wochen keine Körperpflege betrieben hat. OK, wenn ich ehrlich bin habe ich die vier oder fünf Tage in Ladakh kein einziges Mal geduscht. Die Wasserleitungen waren zugefroren. Es gab zwar warmes Wasser, das mit einer Heizspirale, die man in den Wassereimer taucht, aufgewärmt wird. Doch wer will sich schon bei 2° im Badezimmer ausziehen und nass machen?

Wir kommen zu einem Halt. Die Reifen drehen durch. Es geht nicht weiter. Der Fahrer nimmt einen weiteren Anlauf…und noch einen. Dann hat der Pneu wieder Kontakt zu nutzbarem Untergrund und es geht weiter. Wir erreichen die Passhöhe. Ein paar kleine Bauten stehen hier und wie überall Schilder der Indischen Armee, die viele Strassen und Brücken Ladakh baut und unterhält. Wir machen Pinkelpause und natürlich muss ich ein Selfie mit dem Schild machen, auf dem die Höhenangabe steht, hehe.

Hier oben ist es -7°. Wir fahren weiter. Nach einiger Zeit hält der Fahrer an.

„Truck.”

sagt er. Da er es uns nicht näher erklärt versuchen wir zu verstehen, was er meint. Die Strasse schlängelt sich nach einigen Metern einen Abhang hinunter. Von da unten scheint ein Lastwagen zu kommen, glauben wir. Als sich einige Zeit nichts tut, fährt der Fahrzeuglenker weiter. Dann nach zwei steilen Kurven erblicken wir den Lastwagen. Er hat Schneeketten an den Rädern und versucht mit tosendem Motor die Steigung und den Untergrund zu bezwingen. Die Reifen drehen trotz der Ketten durch und der Lastwagen schlittert einige Meter zurück. Unser Fahrer zieht an ihm vorüber und wir wundern uns, ob es der LKW noch nach oben schaffen würde.

Wieder Pinkelpause. Wir stapfen durch den Schnee um zum öffentlichen Klo zu kommen. Stellenweise sinken wir Knöcheltief ein. Als ich die Tür aufmache und das Klo begutachte stellt sich mir wieder die Frage, die ich mir schon oft in diesem Land gestellt habe:

Ist es so schwierig zu treffen?

Da ist ein ca. 25x35cm Loch im Boden, aber da schaffen es Leute danebenzukacken. So liegt doch eine recht frische Wurst am nördlichen Ende des Lochs. Naja. Über die nächsten Kilometer senkt sich der Weg wieder und wir lassen den Schnee hinter uns. Eine atemberaubende Landschaft eröffnet sich vor uns. Links und rechts von uns gewaltige Berge. Manche sind von kahlem Fels, manche mit Sand bedeckt. Ja, Sand. Es ist eine Hochlandwüste. Auf den Gipfeln Schnee. Wir sehen Tiere, die für uns aussehen als ob sie eine Mischung zwischen Esel und Pferd wären. Mit weissbraunem Fell, wunderschön.

Die Fahrt durch dieses Tal ist spektakulär und bald haben wir unser Ziel erreicht. Der Pangong See. Es stehen einige billige Hütten am Ufer. Restaurants und sogar Gasthäuser. Der Fahrer parkiert den Wagen und Maddy und ich ziehen unsere Jacken an und laufen zum See. Es windet heftig. Yayaati, der Manager von unserem Guesthouse, hatte recht: der See ist komplett zugefroren. Es ist ein sehr grosser See, noch 120km2 grösser als der Genfersee. Und da muss man sich mal vorstellen, dass der komplett zugefroren ist. Einige Indische Touristen spazieren auf dem Eis. Maddy und ich fotografieren lieber.

Nachdem wir den See ausreichend bewundert haben, entschliessen wir uns einen Tee zu trinken und ein paar Kekse zu essen, die sie mitgebracht hat. Nach nicht einmal einer Stunde machen wir uns wieder auf den Rückweg. Gelohnt hat es sich die lange Fahrt allemal, zumal ja die Fahrt selbst schon das geheime Abenteuer des Ausflugs war.

Nach einem feinen Abendessen im Amdo Cafe – wo wir eh jedes Mal zu Abend gegessen haben – machen wir uns auf den Weg ins Guesthouse. An einem ATM der State Bank hole ich noch Geld. In Indien kann man derzeit nur 10‘000 Rupien pro Bezug holen. Das sind so 150 Franken. Damit kommt man meistens 3-4 Tage durch. Dann muss man wieder was holen. Natürlich bezahlt man für jeden Bezug in der Schweiz Gebühren :/ Ich verlasse den Bankomaten und gehe mit Maddy noch in einen Laden um ein paar Leckereien und ihren obligaten Frühstücksjoghurt zu kaufen. Als wir den Laden verlassen laufen uns zwei Typen über den Weg. Beide haben ein Handy am Ohr und plappern lauthals hinein.

„Die sind aber komisch.”

bemerkt Maddy. Und ich glaube auch, dass die etwas seltsam sind. Nun bin ich mir nicht mehr sicher, ob die beiden mich beim Geld holen beobachtet haben. Sie gehen auf die andere Strassenseite. Wir warten. Ich habe ein ungutes Gefühl. Von hier aus bis um Guesthouse sind es vielleicht 300-400m. Doch der Weg ist unbeleuchtet und Abseits der Strassen. Ich beobachte die beiden. Sie stehen da und reden miteinander. Keinesfalls will ich an denen vorbeilaufen um dann nur ein paar Meter später auf den dunklen Weg abzubiegen. Nein, ich höre auf mein Gefühl und Maddy ist einverstanden. Wir gehen die Strasse runter, nehmen ein Taxi und lassen uns ins Guesthouse fahren.

Dort gehen wir zu Yayaati und melden uns zurück. Wir quatschen ein wenig und Maddy verabschiedet sich. Sie will packen, denn Morgen geht ihr Flug nach Delhi. Ich bleibe noch in Yayaatis Zimmer sitzen.

„So, do you want a drink?“

Fragt er und läutet somit einen superlustigen Abend ein. Er lässt seinen Angestellten Maddy holen, macht den Fernseher und eine Shisha an. Er öffnet seinen Schrank und da sind viele Sorten Whisky, Wein und Schnapps drin. Ich entscheide mich für einen Schluck vom „Old Smuggler“, vom „alten Schmuggler“, der scheinbar nur zum Verkauf an Personal der Streitkräfte gedacht ist, hahaha. Doch Yayaati hat seine Beziehungen. Maddy fragt nach Musik und so kommts nun ganz gut: wir trinken, rauchen und sehen uns den ganzen Abend Videoclips von Indischen Punjabi / Panjabi Musikern an, die aus drei Elementen bestehen: freizügige Frauen, mit Schmuck beladene Männer und teure Autos, hahaha.

Mein Kopf schmerzt nur leicht am nächsten Morgen. Ich begleite meine Reisegefährtin zum Flughafen um sie zu verabschieden und selbst ein Flugticket nach Delhi zu kaufen, da es ja momentan kein Internet in Leh gibt um eines online zu kaufen. Wir sagen Bye, Bye und sie verschwindet hinter dem Vorhang der den Eingang zum Gate markiert.

Nach einiger Wartezeit kann ich endlich am Schalter von Air India ein Ticket kaufen und direkt bezahlen. Morgen würde ich nach Delhi fliegen. Als ich im Guesthouse genug an der Sonne gelegen bin, entscheide ich mich zum Leh Palast zu laufen und diesen zu besichtigen. Dann steige ich auch die Stufen zum Tsemo Schloss hoch. Sehr schweisstreibend, aber von hier oben habe ich einen schönen Blick auf Leh.

Ich geniesse ihn und bis die Sonne untergeht lese ich einige Seiten von einem Tom Clancy Roman. Die letzte Nacht in der Kälte heute, denke ich mir.

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