Die Suche nach den Felsgravuren – oder unterwegs im wunderschönen Marokko
Der kleine Ort Taliouine diente Elias und mir nur als Zwischenstopp. Die Strecke von Agdz nach Tafraoute wäre einfach zu viel für einen Tag gewesen.
Und so schauen wir uns an diesem Dienstagmorgen ein wenig um. Ein kurzer Besuch in der örtlichen Kasbah, wo wir keinen Eingang finden. Dann sehen wir ein paar Männer, welche Sand aus dem sehr trockenen Flussbett abzutransportieren scheinen. In Säcken, auf dem Rücken. Sieht nach einem Knochenjob aus.
Lange halten wir uns nicht auf und schon geht’s wieder ab auf die Strasse. Die Fahrt nach Tafraoute bietet uns wunderschönste Landschaften, Tiere und interessante Begegnungen: Ziegen und Schafe überqueren die Strasse und Kamele gehen auf ihr in Fahrtrichtung, Berge türmen sich vor uns auf, um nur einige Kilometer hinter uns wieder zu verschwinden, weite Täler öffnen sich und verschlucken uns.
Eine Augenweide ist diese ganze Fahrt, einfach nur herrlich.
Mein Bruder findet ich sei Niederländer, da ich offensichtlich noch nie Berge in meinem Leben gesehen hätte. Doch die gewaltigen Riesen aus Stein ziehen mich so in ihren Bann, dass ich mit dem Staunen gar nicht aufhören kann.
Nie hätte ich gedacht, dass die Natur in diesem Land sich so abwechslungsreich darzustellen vermag. Ein wahres Wunder, eine wahre Schönheit.
Auch der Baustil der Marokkaner gefällt mir. Die Häuser und die Moscheen sind bunt, es ist farbenfroh und passt sehr gut in die Landschaft. Mein Bruder bekommt das zu spüren, da er gefühlte 100 Mal anhalten muss, damit ich fotografieren kann. Und da kann er sich natürlich eine Bemerkung nicht verkneifen, so a la:
„Das ist jetzt das 100ste Bergdorf, das du fotografiert hast.“
Nach mehr als 200 Kilometern Fahrt, 7 Stunden und einem Mittagessen in Igherm – wo wir die Hauptattraktion waren – kommen wir endlich in Tafraoute an. OK, Elias dürfte hier einfügen, dass die Fahrzeit hätte halbiert werden können, wenn er nicht alle 100 Meter hätte anhalten müssen, damit ich ein Foto machen kann, hehe.
Bouchra Hani führt hier in Tafraoute das wunderbare Maison Tigmi Ozro. Eine wahre Oase des Friedens. Einfach nur herrlich. Elias und ich haben ein ganzes Apartment für uns, inklusive Wohnzimmer und Küche.
Doch bei den Kochkünsten von Bouchra und ihrer Angestellten, brauchen wir das nicht, hehe.
Trotzdem nehmen wir das Abendessen im Dorfzentrum ein, da wir uns für das Essen in der Unterkunft frühzeitig hätten anmelden müssen. Die Hausherrin hat uns das Restaurant Marrakesch empfohlen.
Tafraoute ist nicht gross, so um die 7000 Einwohner. Sehr angenehmer Ort. Weniger angenehm ist der recht penetrante Berber in seinem blauen Umhang, der uns scheinbar durch die halbe Stadt folgt und immer wieder irgendwelche Geschäfte machen will, hehe.
Hier würden wir ausnahmsweise ein bisschen länger bleiben. Die Umgebung hier zu erkunden lohnt sich. Nach Bouchras Empfehlung besuchen wir die Ait Mansour Schlucht. Sehr beeindruckend.
Leider wird mir hier nach einem Tee, welchen ich in einem Restaurant in der Schlucht trinke, äusserst übel. So schlecht, dass ich mich einige Zeit hinlegen muss.
Auf dem Rückweg treffen wir irgendwo im Nirgendwo auf einen Fussballplatz. Witzig. Zurück in der Unterkunft relaxen wir erst mal und überlegen uns, was für eine Tour wir morgen machen könnten. Das nahe liegende Tal der Ammeln interessiert mich sehr, es soll wunderschön sein und sich ausgezeichnet für eine Fahrradtour eignen.
Dazu kommt, dass Bouchra Fahrräder vermietet. Also was gibt’s da noch zu überlegen?
Hmmm….wie weit wollen wir fahren und wohin genau? Es gibt die grosse Runde, durchs ganze Tal und auf der anderen Seite der Berge zurück nach Tafraoute. Das sollen 35 Kilometer sein. Die prähistorischen Felsgravuren, für welche die Gegend auch berühmt ist, sollen auch auf dem Weg liegen. Aber auch eine kleinere Runde wäre möglich, zu den von einem Belgier bemalten blauen Felsen.
Nach einigem hin- und her entscheiden wir uns für die grosse Tour. Wir sind ja körperlich fit und äusserst sportlich, hehe.
Am Donnerstag als wir aufstehen, sehen wir, dass es auch in der Nacht ein wenig geregnet hat. Wolken haben zwischen den Felsen übernachtet.
Nach dem super Frühstück radeln wir los. Die Bremsen der Fahrräder quietschen sehr schön, hehe. Doch, da dies bei allen Dreien der Fall ist, haben wir keine andere Wahl. Funktionieren tun sie schon, doch sie generieren ein derart schrilles Geräusch, dass wir bei der Fahrt durch den Ort einmal mehr die Attraktion sind – oder besser gesagt vor allem Elias.
Das Tal der Ammeln – heisst übrigens so des Stammes wegen, der hier vor allem wohnt – ist atemberaubend. Vor allem jetzt, da die Wolken sich noch nicht verzogen haben, und die Sonne noch nicht ihren Zenit erreicht hat.
Nach einigen Kilometern im Tal sehen wir uns die Karte an und suchen nach dem Zeichen für die Felsgravuren. Ein „G“ für gravures, das französische Wort. Wir biegen von der Hauptstrasse ab und fragen einen alten Mann, ob er den Weg kenne.
Er deutet mit seiner Hand ein paar Zeichen und kassiert dafür ein paar Dirham von uns. Jetzt geht’s bergauf. Noch eine Kurve. Noch ein wenig weiter. Noch höher. Irgendwann merken wir: wir finden diese Gravuren einfach nicht.
Niemand ist hier oben, doch die Aussicht ist sehr schön.
Wir fahren wieder zurück zur Hauptstrasse, an einer ganzen Schulklasse vorbei, die in der Hitze Fussball spielt. Der alte Mann ist weg. Unser Weg führt uns weiter ins Tal hinein und es geht nun auch hier bergauf.
Wir versuchen nach Tirnmatmat zu fahren, doch als wir sehen, wie steil es da bergauf geht und realisieren, dass wir kein Wasser mehr haben, brechen wir die Aktion ab.
Zurück auf der Hauptstrasse fahren wir bergab und bergauf. Durch ganz kleine Siedlungen. Keine Shops oder Restaurants. Kein Wasser in Sicht. Ich zerre an meinen Kräften. Es ist doch weiter, als ich angenommen habe.
Ohne Wasser finde ich die Situation nicht intelligent. Die Sonne brennt uns auf die Köpfe und Bäume gibt’s hier so gut wie keine. Hinter jeder neuen Biegung erhoffen wir uns eine Siedlung mit Wasser, doch sie will und will einfach nicht kommen. Erst an einer grösseren Kreuzung, im Ort Talahat finden wir einen kleinen Shop, wo wir uns endlich verpflegen können!
Der Ladenbesitzer und sein behinderter Cousin, verkaufen uns ihre Waren mit Freude. Wir trinken Cola und Essen dazu richtig fettes Pita Brot vor dem Laden im Schatten. Ein Restaurant gibt es hier nicht, sagt uns der Besitzer. Natürlich werden wir wieder einmal zur Attraktion und zwar für die andere Kundschaft, hehe.
Als ich auf mein Handy schaue, wo ich über eine Navigationsapp die Strecke aufgezeichnet habe, merke ich, dass wir bereits mehr als 35 Kilometer zurückgelegt haben. Und wir sind erst in Talahat! Den ganzen Rückweg haben wir noch vor uns!
Es zehrt sehr an unseren Kräften und wir müssen alle paar Kilometer anhalten, da uns die Ärsche weh tun! Wir sind keine Fahradfahrerfamilie, hehe.
Nichts desto trotz hat auch die Heimfahrt ihre Highlights, beispielsweise dann als wir merken, dass es nur noch bergab geht. Eine wahre Freude!
Kurz vor Tafraoute versuchen wir unser Glück mit den Felsgravuren ein letztes Mal. Doch auch hier werden wir hin und hergeschickt und finden einfach nichts. Frustriert und fluchend geben wir die Suche auf und fahren zurück ins Tigmi Orzo.
Ob die Felszeichnungen überhaupt existieren, fragen wir uns. Am Ende unserer Fahrradtour haben wir 53 Kilometer zurückgelegt. Eine ganz schöne Leistung für uns!
Jetzt heissts nur noch entspannen und nichts tun. Am Abend gönnen wir uns noch ein Bier in einem Hotel im Ort. Apropos: Bier ist in Marokko schwer zu finden, zumindest in den Gegenden wo wir unterwegs waren. So genossen wir diese Biere noch mehr, hehe.
Die Sonne geht unter und unser Aufenthalt in Tafraoute neigt sich dem Ende zu. Beim Abendessen auf der Dachterrasse treffen wir noch zwei Italiener, welche gerne fluchen und sich darüber aufregen, dass es kaum Alkohol zu kaufen gibt in dem Land, hehe.
Heute Nacht würden wir gut schlafen können, von den Strapazen des Tages. Morgen geht es für uns wieder weiter. Diesmal mit dem Auto, hehe. Nämlich nach Marrakesch.