Das schönste Grab der Welt

Das schönste Grab der Welt

Aus der Reihe: Geschichten aus Indien

Vom 09. März bis 13. März

Unsere zweite Zugfahrt in Indien ist ein bisschen anders, als die erste. Warum? Weil jemand auf unseren reservierten Sitzen sitzt.Naja, Fakt ist, dass ich bei der Buchung nicht bestimmen konnte, wo genau wir sitzen. Das System versucht allerdings die Plätze derselben Buchung möglichst nahe beieinander zu wählen. In diesem Fall reichte es nur für 12 Sitznummern zwischen Döme und mir, haha.

Er hat 42 und ich 30. Beides Seitenplätze. Da jemand auf meinem reservierten Platz ist, und scheinbar auch jemand auf Dömes, setzen wir uns einfach woanders hin und schauen aus dem Fenster. Der Schaffner scheint kein Problem damit zu haben, als er unsere Tickets kontrolliert und für die restliche Fahrt können wir hier sitzen bleiben.

Da es recht früh am Morgen ist – Abfahrt um 06:15 Uhr – dösen wir ein bisschen, während die Landschaft am Fenster neben uns vorbeizieht. Immer wieder kommen Verkäufer durch die Gänge geeilt und bieten Tee, Kaffee und Snacks an.

Ich erinnere mich, dass mir an jenem Morgen zum Kotzen übel war, aber ich erinnere mich nicht mehr weshalb.

Am Bahnhof von Agra angekommen, nehmen wir ein Tucktuck in die Stadt. Es bringt uns zu unserer Unterkunft, dem „Ray of Maya“ Gasthaus. Dort werden wir sehr freundlich vom Manager empfangen. Wie üblich in Indien, werden unsere Pässe kopiert und wir müssen einige unserer Personalien in einem Buch eintragen. Unterkünfte in Indien sind verpflichtet, gewisse Informationen von Gästen einzuholen, da die indische Regierung scheinbar die Übersicht über die Touristen behalten und sicherstellen will, dass niemand sich illegal im Land aufhält. So wird Beispielsweise immer auch das Visum aus dem Pass kopiert.

Bei den Personalien nehmen es Döme und ich – abgesehen von unseren Namen –  jeweils nicht so genau, hehe. So ändern sich unsere Adressen in der Schweiz ständig. Einmal wohnt Döme in der Nussbaumgartenstrasse 67. Dann plötzlich in der Nummer 99 und so weiter. Einer meiner Lieblingswohnorte derzeit ist „8899 Luegisland“. Da kommen alle möglichen Ideen und bis jetzt hat niemals jemand ein zweites Mal danach gefragt und auch hoffentlich nicht versucht die Adressen auf google zu finden, haha.

Der Ort Agra liegt auf einer der Touristenrouten in Nordindien. In dieser Stadt steht der berühmte Taj Mahal, eines der wohl bemerkenswertesten Gebäude der Welt. So würden wir uns diesen auch Morgen Freitag ansehen. Doch da macht uns wer einen Strich durch die Rechnung: der Taj Mahal ist immer freitags geschlossen. Natürlich nur für nicht-Muslime, was Döme und ich ja – scheinbar offensichtlich – sind. Da frage ich mich immer wieder, was da das Kriterium ist.

Im Netz hab ich mal gelesen, dass man das Glaubensbekenntnis – Shahada – sollte aufsagen können, um als Muslim bei einer Kontrolle durchgehen zu können.

Probiert hab ich das noch nie. Wäre vielleicht einmal ein Versuch wert.

Am Nachmittag fühlt sich Döme komisch und wirkt plötzlich sehr angeschlagen. Er ist müde und legt sich schlafen. Währenddessen lese ich ein wenig und surfe im Netz. Für Döme ist es eher ungewöhnlich krank zu sein. Er ist normalerweise die Gesundheit selbst, hahaha. Er hat Fieber und der amtierende Oberpfleger und Captain leitet eine Behandlung ein. Währenddessen hält er Susanne auf dem Laufenden, da sich diese Sorgen um ihren Liebsten macht. Natürlich hoffen wir, dass kein Arztbesuch nötig ist. Nicht dass die Ärzte in Indien zwangsläufig „schlechter“ als jene in der Schweiz sind, aber die hygienischen Bedingungen sind höchstwahrscheinlich sehr unterschiedlich.

Ich erinnere mich, dass uns eine deutsche Ärztin im Rahmen eines Reisemedizinkurses einmal gesagt hat, dass Ärzte in Brasilien viel mehr praktische Erfahrung in der Diagnostik hätten, als jene in der Schweiz. Und dass das Ausbildungsland nicht unbedingt massgebend für die Qualität eines Mediziners ist.

In der Nacht regnet es stark und als ich am nächsten Morgen so im Bett liege, bin ich mir nicht sicher, ob wir uns heute Freitag, 10. März wirklich das Rote Fort, welches heute offen ist, ansehen würden. Doch das Neocitran gestern scheint gut gewirkt zu haben und Döme sieht viel, viel besser aus heute Morgen 😉 Die Entscheidung liegt bei ihm und er entschliesst sich auf die Tour zu gehen! Gut. Am Morgen ist es noch recht kühl und der Fahrtwind, der durch das Tucktuck bläst, macht es nicht wärmer.

Der Fahrer bringt uns zum Red Fort und wir besichtigen es. Die gewaltige Mogulfestung ist eine der schönsten Indiens. Der Herrscher Akbar begann 1565 mit dem Bau des massiven Forts aus rotem Sandstein am Ufer des Yamunas.

Das Fort diente in erster Linie militärischen Zwecken, doch Shah Jahan verwandelte es in einen Palast, der später für acht Jahre sein vergoldetes Gefängnis werden sollte, nachdem sein Sohn Aurangzeb 1658 die Macht ergriffen hatte.

Die kolossalen doppelten Mauern des Forts sind über 20 m hoch und 2,5 km lang. Ursprünglich floss der Yamuna direkt am östlichen Rand des Forts entlang, und die Herrscher hatten dort ihre eigenen Ghats zum Baden. Im Fort befindet sich ein Labyrinth aus Gebäuden, die eine Stadt in der Stadt bilden; es gibt sogar große unterirdische Bereiche. Viele Bauwerke wurden allerdings im Lauf der Zeit von Nadir Shah, den Marathen, den Jats und schließlich den Briten, die das Fort als Garnison benutzten, zerstört. Selbst heute noch wird ein großer Teil des Forts vom Militär genutzt und ist Besuchern nicht zugänglich.

Nach dem Besuch des roten Forts machen wir nicht mehr viel. Im Hotelzimmer ruhen wir uns aus und sehen uns ein paar Filme an.

Am Samstag können wir endlich den Taj Mahal sehen! Wir sind ganz gespannt auf dieses Gebäude, da es doch eines der berühmtesten der ganzen Welt ist. Der Mogulherrscher Shah Jahan erbaute den Taj Mahal zum Gedenken an seine dritte Frau Mumtaz Mahal, die 1631 bei der Geburt ihres 14. Kindes gestorben war.

Mumtaz’ Tod brach dem Herrscher das Herz. Angeblich ergraute sein Haar daraufhin fast über Nacht. Die Bauarbeiten begannen im darauffolgenden Jahr. Der Gesamtkomplex wurde 1653 fertiggestellt; das Hauptgebäude soll aber schon nach acht Jahren fertig gewesen sein. Kurze Zeit später wurde Shah Jahan von seinem Sohn Aurangzeb abgesetzt und im Fort inhaftiert.

Für den Rest seines Lebens konnte er seine Schöpfung nun nur noch durch ein Fenster betrachten. Nach seinem Tod im Jahr 1666 fand Shah Jahan an Mumtaz’ Seite seine letzte Ruhestätte.

Insgesamt waren rund 20 000 Menschen aus Indien und Zentralasien an den Bauarbeiten beteiligt, darunter Spezialisten aus dem fernen Europa. Sie fertigten die exquisiten Marmorwände an und verzierten die pietra dura (Einlegearbeiten aus Marmor) mit Tausenden Halbedelsteinen. Der Taj Mahal wurde 1983 zum Weltkulturerbe ernannt. Er wirkt heute noch so makellos wie kurz nach seiner Errichtung – und das, obwohl er im frühen 20. Jh. Umfangreich restauriert werden musste.

Der Eintritt kostet Inder 200 Rupien. Und Ausländer – jap, richtig – 1000 Rupien. Eigentlich sollen Rucksäcke oder Taschen in der Anlage nicht erlaubt sein. Doch weder Döme noch ich haben Lust unsere Rucksäcke mit den ganzen Kameras und Pässen einem der Händler hier anzuvertrauen, die diesen Dienst offerieren. Metalldetektoren und bewaffnetes Sicherheitspersonal tragen zur Sicherheit der Anlage bei.

Wir kommen mit unseren Rucksäcken rein. Hunderte von Menschen sind hier. Natürlich werden wir öfters wieder nach Fotos gefragt. Leider ist eines der vier Minarette, die den Taj umgeben in ein Gerüst eingehüllt. Doch nichts desto trotz ist das Gebäude prächtig.

Nach unserem Besuch im Taj geht es kurz zurück ins Hotel. Dann entschliessen wir uns, das Gebäude noch aus einer anderen Perspektive zu sehen und zwar zum Sonnenuntergang. Mit einem Tucktuck geht’s einen anderen Weg entlang zur Nordseite des Gebäudes, der Rückseite. Zwischen uns und dem Taj Mahal liegt der Fluss Yamuna und gerade rechtzeitig kommen wir an um zu sehen, wie die letzten Sonnenstrahlen das Gebäude in einen leicht rötlichen Ton einfärben.

Am nächsten Morgen, Sonntag, machen wir uns auf in den Stadtteil Taj Ganj – ausgesprochen „Gansch“. Dieser liegt südlich des Taj Mahal und scheint von vielen Muslimen bewohnt zu sein. Wir setzen uns auf die Terrasse im ersten Stock eines kleinen Restaurants und beobachten das geschäftige Getue auf dem Platz vor dem Gebäude. Zu unserer Überraschung ist die Bedienung ein ca. 11 Jähriger Junge, der besser Englisch spricht als die meisten Inder, denen wir bis jetzt begegnet sind!

In diesem Stadtteil scheint viel los zu sein und das Gehupe unten auf der Kreuzung ist unglaublich nervend. Man kann sich kaum vorstellen, wie das sein muss das den ganzen Tag auszuhalten, wenn man beispielsweise hier wohnt. Die Leute müssen zwangsläufig Tinnitus bekommen.

Wir entschliessen uns ein wenig in den Strassen von Taj Ganj herumzuschlendern und nach Fotomotiven zu suchen. Wir kommen durch kleine, enge Gassen. Überall Menschen. Manche beobachten uns neugierig. Viele von ihnen haben ihre Gesichter mit bunten Farben bemalt. Weshalb? Es ist der Beginn des berühmten Holi Fests. Ein wichtiges Ereignis für Hindus.

Holi ist ein aus der hinduistischen Überlieferung stammendes indisches Frühlingsfest am ersten Vollmondtag des Monats Phalgun (Februar/März). Dieses „Fest der Farben“ dauert mindestens zwei, in einigen Gegenden Indiens auch bis zu zehn Tage. Es wird ausgelassen gefeiert und man besprengt und bestreut sich gegenseitig mit gefärbtem Wasser und gefärbtem Puder.

Am ersten Tag entzündet man in der Nacht ein Feuer und verbrennt darin eine Figur aus Stroh, als Symbol für die Dämonin Holika. Verschiedene Mythen beschäftigen sich mit dieser Dämonin: Eine der bekanntesten Geschichten erzählt folgendes:

Der kindliche Prinz Prahlada sollte von seinem Vater überredet werden, ihm alle göttliche Ehre zu erweisen, der Junge jedoch verehrte weiterhin nur Vishnu. Mit verschiedenen Mitteln versuchte nun der König seinen Sohn zu töten, jedes mal jedoch griff Vishnu selbst ein und rettete das Kind. Schließlich griff der König zu einer List: Seine Schwester Holika, die durch besondere Kräfte vor dem Feuer geschützt war, sollte mit Prahlada auf dem Schoß ins Feuer springen und ihn so verbrennen. Aber die Flammen verschonten das Kind und von Holika blieb nur ein Häufchen Asche.

Danach feiern die Menschen als Erinnerung an die Vernichtung der Dämonin das Fest Holi. So sehen wir denn auch überall Scheiterhaufen, die auf den Plätzen und in den Gassen aufgestellt wurden.

Am Abend sind wir wieder in Taj Ganj um das Abendessen einzunehmen. Da beginnen auch schon die Feierlichkeiten zum Holi Fest. Und zwar ziemlich laut und in Form von Feuerwerken mitten auf der Strasse. Klingt irgendwie Indisch 😉

Eigentlich hätten wir ja am Sonntag mit dem Zug nach Varanasi fahren sollen. Allerdings wurde diese Fahrt storniert, weshalb wussten wir nicht. Also versuchten wir am Bahnhof von Agra herauszufinden weshalb und was wir tun können. Bis wir endlich an einem Schalter vor dem Beamten standen, brauchte es einige Nerven. Denn ein paar notorische Drängler, liefen uns immer wieder einfach vor die Nase um etwas von dem Mann hinter der Glasscheibe einzufordern.

Naja, in Indien gibt’s halt kein geregeltes Schlange stehen. Als wir dran sind braucht es einiges an Konzentration um herauszufinden, was der Beamte uns versucht zu sagen. Es ist ziemlich laut am Bahnhof und zusätzlich entspricht sein Englisch nicht gerade einem Cambridge Standard, haha.

Schlussendlich finden wir heraus, dass der Zug auf Grund technischer Probleme tatsächlich nicht fährt. Ob er uns ein Ticket für den Zug von Morgen organisieren könne, fragen wir. Dann erklärt er irgendetwas, was ich nicht verstehe. Döme scheint es auch nicht zu verstehen. Irgendwann dreht er uns dann seinen Computerbildschirm zu und da sehen wir auf einer Art „Dos“ Oberfläche, dass hinter jeder Reservationsnummer das Wort „cancelled“ steht, also storniert.

Jetzt wissen wir nicht, ob das für den Zug von heute gilt oder für den von Morgen. Schlussendlich ist es egal, denn hier würden wir nicht weiterkommen. Also machen wir uns auf den Rückweg ins Hotel und buchen dort die Zugfahrt einfach online. Buddha sei Dank hat es noch Plätze in der AC 2nd Class. Ein bisschen bequem wollten wir es schon haben auf dieser Fahrt, die immerhin 14 Stunden dauern sollte!

Wie wir uns getäuscht haben und was passiert ist, gibt’s im nächsten Beitrag zu lesen!

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