Von Nashörnern und Tigern
Es ist Freitag. Naja, es spielt ja nicht wirklich eine Rolle, welcher Tag es ist, aber egal. Gestern Abend hatte ich im Guesthouse in Kathmandu noch eine Busfahrt nach Sauraha organisiert. Der Ort liegt einige Stunden entfernt vom Kathmandutal im Terai.
Terai bedeutet feuchtes Land und bezeichnet die fruchtbare Tiefebene, die sich südlich des Himalaya in Indien, Nepal und Bhutan vom Fluss Yamuna im Westen bis zum Fluss Brahmaputra im Osten erstreckt.
Und was gibt es da zu sehen? Den Chitwan Nationalpark! Und da gibt es? Nashörner, Tiger, Elefanten und vieles mehr!
Als ich sicher bin, dass ich im richtigen Bus sitze und mein Gepäck sich auch darin befindet, lehne ich mich zurück und buche per Handy mit der Agoda App eine Unterkunft in Sauraha. Dieser kleine Ort liegt direkt an einem der Eingänge des Nationalparks. Die Unterkünfte dort sind um einiges günstiger als die teuren Lodges im Park selbst. Das Hotel Jungle Vista sieht nett und günstig aus.
Für 8 Franken pro Nacht bekomme ich ein Einzelzimmer mit Deckenventilator und eigenem Badezimmer im dritten Stock.
Die Busfahrt dauert lange. Sieben, acht Stunden. Ich höre Musik, versuche zu schlafen, so gut es geht. Immer wieder gibt es Pinkelpausen. Für den letzten Teil der Strecke muss ich den Bus wechseln. Nun sitze ich mit einem dutzend Georgischer Touristen, deren Reiseleiter wie eine Art selbsternannter Guru aussieht mit allerlei seltsamer Klamotten, Schmuck und Bemalungen. Author und Auswanderer sei er, erzählt er mir. Gelegentlich führe er ein paar georgische Touristen in der Gegend rum, da er selbst aus Georgien stamme.
Endlich komme ich im Hotel Jungle Vista an. Der Empfang ist freundlich und aufmerksam. Schnell wird mir klar, dass die beiden Brüder, die das Hotel managen sehr eifrig sind und unbedingt wollen, dass ich mich nicht alleine fühle. Ramesh und Ramsharan sind Geschäftsleute. Sie teilen mir gar Shiva zu, einen Hotelangestellten, der sich um alle meine Bedürfnisse kümmern soll.
Am Abend besuchen er und ich eine Kulturveranstaltung im Dorf, wo verschiedenste Tänze vorgeführt werden. Durch Shiva wird mir wieder einmal klar, dass der Umgang zwischen Männern auf dem Indischen Subkontinent anders ist, als in der Schweiz. Es ist völlig normal, dass Befreundete Arme umeinander legen, Hand in Hand gehen oder andere Berührungen stattfinden. In meinem Fall legt Shiva oft eine Hand auf meinen Oberschenkel während wir die Tänze beobachten.
Diese Art der Berührungen haben nichts mit Sexualität zu tun.
Ungewohnt ist es für mich allemal, da ich in der Schweiz aufgewachsen bin, wo sich beste Kumpels allenfalls nach einigen Jahren Freundschaft Mal bei einem Händedruck umarmen, haha.
Heute Samstag mache ich einen kurzen Spaziergang im Dorf und Ramsharan, einer der beiden Managerbrüder organisiert mir einen Platz auf einem Jeep für die Safari am Nachmittag. Shiva begleitet mich zum Parkeingang und kauft eine Bewilligung für mich. Der Park wird neben Wildhütern von der Nepalesischen Armee bewacht.
Der Posten, wo die Bewilligungen ausgegeben werden, liegt gleich am Rapti Fluss. Er bildet eine natürliche Grenze des Nationalparks, der auf der anderen Seite liegt. Mit einem Boot geht es hinüber. Das Gewässer ist der Lebensraum vieler Krokodile und Ghariale, die sich auch blicken lassen.
Nach einem kurzen Fussmarsch steige ich in einen Jeep, den ich mit einigen Franzosen, Amerikanern und Nepalesen teile. Jetzt kann es losgehen! Ich bin total aufgeregt und freue mich auf die Tiere! Meine Kamera mit dem 300mm Objektiv habe ich griffbereit. Klar, von anderen Safaris weiss ich, dass es der Laune der Natur obliegt, was sie von sich zu zeigen vermag, also habe ich keine grossen Erwartungen. Doch gleichzeitig spüre ich, dass es eine coole Ausfahrt werden würde!
Die Fahrt durch den Wald beginnt. Die Luft hier riecht frisch, doch ab und zu nehme ich den Geruch von verbrannten Pflanzen wahr. Brandrodung. Ich sehe das hohe Elefantengras, von welchem ich gelesen habe.
Es sieht wirklich aus, wie gewaltiges grünes Gras, mehrere Meter hoch.
Ich habe gelesen, dass es gar acht Meter hoch wachsen kann! Immer wieder verringert der Fahrer das Tempo. Wir beobachten die Umgebung. Nichts. Doch dann bewegt sich tatsächlich etwas in dem hohen Elefantengras. Ein Nashorn! Es verlässt gar die sichere Deckung und wandert gemütlich vor dem Fahrzeug auf die Strasse! Es blickt uns an, ich halte voll drauf. Wow!
Das Panzernashorn (lat. Rhinoceros unicornis, wörtlich einhörniges Nashorn), auch Indisches Nashorn genannt, ist auf dem Indischen Subkontinent beheimatet und heute nur noch im Nordosten Indiens und in geschützten Gebieten im Terai Nepals zu finden.
Interessantes über das Panzernashorn
Im 19. Jahrhundert wurde Jagdtourismus nicht nur bei Europäern sehr populär. Panzernashörner wurden schonungslos und anhaltend gejagt.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es weniger als 200 Panzernashörner, so dass sie kurz vor der Ausrottung standen.
Zudem setzte die indische Kolonialregierung eine Abschussprämie für jedes getötete Panzernashorn aus, da die Tiere angeblich die Tee-Plantagen zerstörten. Erst 1910 wurde die Jagd auf das Panzernashorn verboten und die Art unter Schutz gestellt. Gebiete zum Schutz der Nashornart wurden wesentlich später eingerichtet wie 1926 der Kaziranga-Nationalpark in Indien und 1973 der Chitwan-Nationalpark in Nepal.
Es gibt heute zwar wieder mehr als 2.800 Panzernashörner, aber nach wie vor wird die Art von der IUCN – International Union for Conservation of Nature and Natural Resources; deutsch „Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen“ – als gefährdet geführt.
Wir fahren weiter. Nun zeigen sich einige Languren in den Bäumen. Immer wieder hören wir den sehr einprägsamen Ruf der Pfaue. Der Fahrer hält an um mit einem Ranger zu sprechen, der scheinbar auf der Strasse steht. Als ich nach links blicke, sehe ich einen weissen Mann zusammen mit einem Nepali im hohen Elefantengras stehen. Was machen die da, denke ich mir. Da dämmert es und ich meinte gelesen zu haben, dass man im Chitwan Nationalpark auch Fusssafaris unternehmen kann.
Vom Jeep aus können wir ca. 200-300 Meter entfernt eine Nashornkuh und ihr Junges sehen. Aus diesem Grund müssen die Menschen, die zu Fuss im Park unterwegs sind sehr vorsichtig sein. Nashornmütter, die ihre Kleinen für bedroht halten, sind äusserst wild und gefährlich.
Ein Krokodil liegt gemütlich in einem kleinen Fluss und nach einigen Minuten Fahrt erblicken wir schon unser drittes Nashorn auf dieser Safari!
Nach einer kurzen Pause an einer Art Raststätte mitten im Park – die mir leider wegen des vielen Abfalls der herumliegt nicht sehr ökologisch vorkommt – führen wir die gebuchte Tour fort. In diesem Teil des Parks sind die Brandrodungen offensichtlicher. Wälder brauchen von Zeit zu Zeit Feuer um den Boden mit der Asche der verbrannten Pfanzen wieder fruchtbarer zu machen. In Teilen Kanadas ist dafür gar die Feuerwehr zuständig, hehe.
Der Duft der Blätter hier ist wunderbar. Er hat etwas frisches, aber zugleich Stickiges. Die Luft im Allgemeinen ist sehr dampfig. Die Sichtweite beträgt nur wenige Kilometer und man kann den trockenen Staub oder was es auch immer sein mag förmlich sehen in der Atmosphäre. Das ist normal zu dieser Jahreszeit in Nepal, da es schon sehr lange nicht mehr geregnet hat.
Jetzt erblicken wir viele Axishirsche.
Über den Axishirsch
Der Axishirsch oder Chital ist ein in Indien, Nepal und Sri Lanka verbreiteter Hirsch. Der Kontrast zwischen den weißen Flecken und dem ansonsten rotbraunen Fell ist jedoch stärker, als dies bei anderen Hirschen der Fall ist.
Tiger und Rothunde gehören zu den wichtigsten Fressfeinden des Axishirschs. Sie reagieren daher sofort auf Warnrufe von Vögeln und Affen, die auf einen sich nähernden Tiger hinweisen könnten. Gewöhnlich versuchen sie, so viel Abstand zu dem Tiger zu halten, dass für diesen eine weitere Annäherung sinnlos ist. Axishirsche werden darüber hinaus auch von Pythons gefressen, die in ihrem jeweiligen Lebensraum vorkommen.
Der Axishirsch zeigt in den Regionen, in denen Tiger und Rothunde vorkommen, eine besondere Verhaltensanpassung. Da sie gelernt haben, dass beide Arten den Zusammenstoß mit dem Menschen meiden, halten sie sich vermehrt am Rand von Dörfern auf. Nachts kommen sie gelegentlich sogar in die Dörfer und mischen sich dort unter die Hausrinder.
Einige Zeit später entdeckt jemand im hohen Gras wieder ein Nashorn. Als die Erde sich langsam von der Sonne wegdreht und wir an einem kleinen See vorbeifahren zeigt sich dann eine Art Echse und später wieder ein Nashorn.
Die Safari ist vorbei und hat sich sowas von gelohnt: insgesamt sieben Nashörner, viele Affen, Pfaue, Krokodile und Axishirsche haben wir gesehen! Es war herrlich in der Natur zu sein und die wilden Tiere zu beobachten und zu fotografieren.
Zurück in Sauraha sind ein paar Mahuts auf ihren Elefanten unterwegs. Ein interessanter Anblick, bei dem ich mir aber jeweils nicht helfen kann zu hoffen, dass die Tiere gut behandelt werden.
Ein Mahut ist der Führer und oftmals Eigentümer eines Arbeits-Elefanten. Er ist für dessen Ernährung und Pflege verantwortlich und über Jahrzehnte mit dem Tier verbunden. Ein Mahut reitet auf dem Nacken des Elefanten und dirigiert ihn mittels verbaler Kommandos, seines Elefantenstabs und des Drucks, den er mit Füßen und Beinen auf das Tier ausübt.
Die Bezeichnung Mahut kommt von Hindi mahaut, was auf Sanskrit mahāmātra zurückgeht („von großem Maß“). Mahuts gibt es, wie die Arbeitselefanten, in Indien und Hinterindien (etwa Myanmar und Thailand). So werden dort für Waldarbeiten oft noch Elefanten eingesetzt, weil sie im Gegensatz zu Traktoren und Raupen im Gelände beweglicher und nicht auf das Anlegen von Straßen angewiesen sind und weniger Umweltschäden verursachen. Darüber hinaus hat die Elefantenhaltung zeremonielle und touristische Gründe.
An diesem Abend lege ich mich entspannt und glücklich ins Bett.
Es ist Sonntag, 17. April 2016. Da ich gestern einen echt erfolgreichen „Tiertag“ hatte, will ich mir heute ein wenig die Gegend um Sauraha und die kleinen Dörfer ansehen. Warum? Es soll kulturell sehr interessant sein. Hier lebt die Volksgruppe der Tharu.
Wer sind die Tharu?
Sie sind ein Volk im Terai in Nepal und im Norden Indiens. Die Mehrheit lebt in Nepal, wo sie 13,5 % der Bevölkerung ausmachen und offiziell als Minderheit anerkannt sind. Die Tharu bezeichnen sich selbst als Menschen des Waldes. Sie lebten lange Zeit isoliert überwiegend in den Urwäldern im Grenzgebiet zwischen Indien und Nepal, wo sie eine relativ eigenständige Kultur entwickelten. Sie sind bekannt für ihre Keramik- und Wandmalerei.
Abgesehen von Nepali, der gemeinsamen Landessprache, die nicht alle beherrschen, gibt es keine gemeinsame Sprache der Tharu.
Mit einem gemieteten Fahrrad geht’s los! Kaum 10 Minuten bin ich unterwegs, als ich auf eine Menschenansammlung treffe, die mir die Durchfahrt unwillentlich verweigert. Was ist hier los? Ich stelle das Fahhrad ab und erkundige mich nach dem Geschehen. Es handelt sich um eine Tharu Hochzeit und ich darf fotografieren, wow.
Anschliessend komme ich mit einigen jungen Männern ins Gespräch. Sie laden mich zu einem Getränk an der Hochzeitsfeier ein und später wollen sie mich auch für den Abend zu der Hochzeitsparty einladen, was ich allerdings dankend ablehne. Das ist mir dann zu viel Trubel, hehe.
Ich bedanke mich und führe meine Fahrradtour fort. Mein nächster Stopp ist eine Strassenbaustelle.
Unspektakulär vielleicht, doch was mich in vielen Teilen Asiens immer wieder fasziniert ist die hohe Zahl weiblicher Bauarbeiterinnen, die ich sehe.
Eigentlich möchte ich die Gruppe von vier Leuten nur fragen, ob ich sie fotografieren darf, doch da stellen sie sofort zeitgleich die Arbeit ein und posieren für das Bild, hehe.
Es sieht nach sehr harter, körperlicher Arbeit aus und das bei dieser Hitze. Nun passiere ich einen Fluss und einige Reisfelder. Da sind Wasserbüffel und eine Frau in einem roten Kleid. Eine sehr schöne Szenerie.
Durch viele kleine Dörfer finde ich schlussendlich den Rückweg nach Sauraha. Am Abend bin ich auf einen kurzen Hausbesuch bei Ramsharan, einem der beiden Brüder, die das Hotel führen eingeladen. Shiva bringt mich hin und ich begegne den beiden Hauselefanten, die Ramsharan besitzt.
Nach dem Abendessen geht es dann auch ins Bett, denn Morgen habe ich etwas sehr interessantes vor!
Montag, 18. April 2016. Es ist ca. 07:00 Uhr. Ich trage lange Cargo Hosen, ein T-Shirt und eine Mütze. In meinem Rucksack habe ich Proviant und 4 Liter Wasser. Was habe ich wohl vor?
Eine Fusssafari im Chitwan Nationalpark! Begleitet von zwei einheimischen Führern breche ich zu etwas auf, was mich mit grossem Respekt und auch Furcht erfüllt.
Ein wenig darüber gelesen habe ich und es gibt doch ein paar Tiere hier, die fähig sind einen Menschen zu töten.
Unter anderem Nashörner, die ihre Jungen beschützen wollen, Tiger oder auch Bären. Es ist noch ein wenig kühl um diese Zeit, was ich äusserst angenehm finde. Die zwei Parkranger führen mich über einige der Wege, die wir gestern mit einem Jeep passiert haben. Querfeldein, durch das hohe Elefantengras zu gehen scheint mir sowieso keine gute Idee. Die beiden sind übrigens bewaffnet und zwar mit je einem Bambusstock. Keine Schusswaffen. Unterwegs erklären sie mir, was zu tun ist, falls wir von einem Nashorn angegriffen würden.
„Search for the nearest tree you can climb and climb up.”
Also ich solle nach dem nächsten Baum suchen, den ich sehe und hochklettern. Ebenfalls habe ich gelesen, dass Nashörner schlecht sehen können und sich eher auf ihre Nase verlassen. So könne es durchaus funktionieren ein Kleidungsstück oder einen Gegenstand wie den Rucksack in eine Richtung zu werfen, während man in eine andere Richtung rennt um die Verfolgung zu unterbrechen.
Natürlich hoffe ich, dass all das nicht nötig sein wird. Wir laufen nun durch das Dickicht. Der Waldboden ist mit vertrockneten, braunen Blättern übersäht. Rechts von uns sind Axishirsche und Nashörner in der Nähe des hohen Grases. Es ist ein ganz anderes Gefühl, die Tiere so zu sehen, als von einem Fahrzeug aus.
Ich bin wieder an dem Ort in der Nahrungskette angelangt, wo der Mensch hingehören würde, ohne seine handwerklichen Errungenschaften.Ein sehr spezielles Gefühl.
Als wir wieder zurück auf einem Weg sind, finden die Führer eine Tigerfährte. Es sei nicht lange her, seit hier ein Tiger durchgelaufen sei. Langsam fange ich an zu hoffen, dass wir eine der Raubkatzen erspähen. Nach einer kurzen Pause, in der wir warten und lauschen, gehen wir weiter. Einige Zeit später halten die beiden abrupt an. Jetzt weiss ich auch weshalb. Sie hören ein Tier, welches immer wieder denselben Laut von sich gibt.
Sie versuchen die Richtung zu bestimmen und genau dahin bewegen wir uns nun. Weg von der Strasse, ins Unterholz. Nun wird der Ruf immer lauter, während wir immer leiser werden und nur noch flüstern. Unsere Bewegungen sind langsam und leise. Doch es ist gar nicht so einfach in einem solchen Wald leise zu gehen: der Boden ist übersäht mit verdorrten Blättern und Ästen.
Etwa 20 Meter vor uns erspähen wir die Herkunft des Geräusches: ein Affe auf einem Baum. Er befindet sich auf der anderen Seite eines Wasserlochs im Wald, das in einer stielen Senke direkt vor uns liegt. Die Führer erklären mir, dass dies ein Warnschrei ist, den der Affe immer wieder von sich gibt, während er auf dem Baum aufgeregt hin und hergeht.
Sie vermuten einen Tiger, ganz in der Nähe. Mein Herz schlägt schneller. Meine Sinne sind total fokussiert. Alles um uns herum wir lauter, ich bin präsent.
Jetzt erkennen wir, dass sich in dem Wasserloch, direkt unter uns ein Nashorn befindet! Es kühlt sich ab. Als es uns bemerkt, steht es rasch auf und läuft auf die andere Seite. Es ist voll mit Schlamm und wartet nun auf der anderen zwischen den vielen Bäumen und Pflanzen ab.
Die beiden Nepalesen glauben, dass sich der Tiger direkt unter uns in der Nähe des Wasserlochs befindet. Die Anspannung ist gross und der Affe tätigt weiterhin seinen Ruf. Insgeheim hoffe ich, dass das Nashorn auf der anderen Seite bleibt, denn in meinen Augen stellt es für mich die grössere Gefahr dar als der Tiger, den ich für sehr scheu halte.
Ein paar Minuten vergehen. Stille. Das einzige, was zu hören ist, ist der Warnruf des Primaten. Wir atmen leise und ruhig. Meine Kamera ist bereit. Immer wieder versuchen wir festzustellen, wo genau der Affe hinsieht, um die Position des Tigers bestimmen zu können.
Dann ertönt ein lautes Knacken! Ein Ast scheint zerbrochen worden zu sein. Rechts von uns bewegt sich etwas.
Wir sehen hin und noch während der jüngere der Guides das Wort in den Mund nimmt, sehen wir alle das Fell des Tigers, wie es geschwind und mit wenig Lärm im Unterholz rechts hinter uns verschwindet. Nicht einmal zwei Sekunden lang konnten wir ihn sehen. Er liess mir keine Zeit für ein Foto. Doch er war da!
Die Chance einen Tiger in freier Wildbahn zu erblicken ist sehr gering, doch an diesem Tag hatte ich Glück! Unfassbar! Ganz ausser Häusschen wandern wir weiter. Vorbei an Termitenhügeln und trockenen Waldteilen. Bei einem kleinen See machen wir eine Pause. Mittlerweile bin ich schweissgebadet. Die salzige Flüssigkeit tropft im Zweisekundentakt von meiner Nasenspitze auf die verdorrten Blätter am Boden.
Nach einiger Wegzeit steht die Sonne am höchsten und wir erreichen einen Hochstand, auf welchem wir das Mittagessen einnehmen und zwei Stunden Pause machen, da es einfach zu heiss ist um weiter zu wandern. In dieser Hitze halten sich die meisten Tiere ebenfalls im Schatten auf. Nur ein einsamer Eber scheint herumzuspazieren.
So um 14:00 Uhr gehen wir weiter. Wir kommen an einem Wasserloch vorbei wo drei grosse, männliche Nashörner sich ein abkühlendes Bad gönnen.
Wir warten und beobachten. Die beiden Führer meinen, dass es zu einem Kampf kommen könnte. Doch nichts dergleichen geschieht. Wir gehen weiter, entlang am Wasserloch auf einem kleinen Pfad, der links und rechts von hohem Elefantengras gesäumt ist. Einige hundert Meter vor uns sehen wir einen weiteren Hochstand. Doch was ist das?
Vor uns, gleich am Pfad steht ein Nashorn. Der ältere der beiden Nepalesen geht vor, um die Situation zu untersuchen. Der zweite bleibt bei mir. Ich blicke mich um auf der Suche nach einem Baum, den ich in einem Notfall besteigen könnte. Unpraktischerweise sehe ich nur einen einzigen, Kleinen Baum. Oha, denke ich mir.
Dann drehe ich mich um und sehe, dass eines der männlichen Nashörner, die vorher friedlich im Wasserloch gebadet haben, sich auf dem Pfad hinter uns befindet und in unsere Richtung läuft.
Aufgeregt, aber leise zeige ich das dem Guide, der bei mir ist. Er sieht es und wendet sich mit einem unterdrückten Pfeiflaut an seinen Kollegen weiter vorne. Scheinbar haben wir nur die Option, an dem Nashorn vor uns vorbeizulaufen. Langsam nähern wir uns an. Das Nashorn blickt uns an und atmet heftig. Als es seinen Kopf hebt und einen Schritt auf uns zu macht, zieht der Führer seinen Stock auf und erzeugt einen tiefen, monotonen Laut.
In diesem Moment rast mein Herz wie wild und ich bin von Furcht erfüllt. Doch das Nashorn bleibt da, wo es ist. Der Guide bei mir, deutet mir ein Foto zu machen. Erst will ich das nicht, denn ich fürchte, dass der Spiegelreflex meiner Kamera das Tier aufschrecken könnte. Der Guide meint allerdings, dass es schon ok sei.
Da mache ich ein paar Fotos, von einem Nashorn, welches ca. 5-7 Meter von uns entfernt steht und Gras frisst. Ein unglaublicher Moment.
Auf dem Hochstand kann ich mich erst Mal beruhigen und ein paar Worte mit den zwei Französischen Touristen austauschen, die gerade von Indien nach Nepal gekommen sind. Wie sie Indien empfunden haben, frage ich. Sie blicken sich gegenseitg an und sagen: crowded. Also überfüllt, voll von Menschen. Zusätzlich starrten einen die Leute oft an und Hygiene und Sicherheit seien so eine Sache.
Es war nicht das erste Mal, dass mir Reisende solche Dinge über Indien erzählt hatten. Weniger als ein Jahr später sollte mich das alles nicht mehr abschrecken und ich würde Indien bereisen.
Nach einigen Minuten gehen wir weiter. Von nun an, bin ich sehr schreckhaft und glaube überall Nashörner zu sehen. Die Führer machen sich einen Spass draus, naja, was solls, hehe. Gegen Ende des Tages kommen wir zu einem Aussichtspunkt Nahe am Rapti Fluss wo wir nun, gemeinsam mit der Gruppe, die wir vorhin angetroffen hatten, die Gegend beobachten.
Leider taucht, nicht wie erhofft, kein Tiger mehr auf. Später erblicken wir noch einen Elefanten, der im Fluss badet und machen uns anschliessend auf den Heimweg. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den zwei Führern und gebe ihnen ein gutes Trinkgeld.
Glücklich gehe ich ins Jungle Vista zurück, nehme eine Dusche und esse in einem Restaurant etwas zu Abend. Was für ein geiler Tag das doch war!