Mystik zwischen den Reisfeldern
Noch 5 Minuten. So lange würden wir noch unter diesem Felsen ausharren um dann im Regen weiterzulaufen. Yvonn, die Niederländerin hat ihren gelben Regenponcho über sich und ihren Rucksack gestülpt. Alicja, die Polin hat einen Schirm dabei und ich trage meine in Neu Delhi gekaufte Outdoorjacke, hehe.
Schon seit heute um 09:00 Uhr regnet es. Wir sassen dann noch gemütlich in der Lobby des Dragons Den Hostel im kleinen Ort Tiantouzhai. Dieser liegt nordwestlich von Guilin. Mit einem Bus war ich von Yangshuo zu einem Parkplatz gebracht worden. Die Fahrt führte über spektakuläre, enge Strassen den Felsen entlang. Im Bus fuhr ich an mehreren Unfällen vorbei.
Auf einem grossen Parkplatz war die Fahrt zu Ende und ich wusste, dass ich nun einen 40 Minütigen Fussmarsch vor mir hätte. Es gibt eine Seilbahn in die Berge, wo hunderte Menschen anstehen. Mit meinen zwei Rucksäcken und meinem Handy laufe ich los. Auf diesem habe ich nämlich den Namen und die Adresse des Hostels in chinesischen Zeichen um nach dem Weg zu fragen. Dieser wird mir dann auch gewiesen. Durch das kleine, kleine Dörfchen Dazhai geht es auf Hunderten von Steintreppenstufen nach oben. Durch die Reisterassen erreiche ich schlussendlich schweissgebadet das Hostel.
Suu und Döme waren vor drei Jahren auch hier oben. Damals hatten sie nicht so viel Glück mit dem Wetter, wie auf ihrer neuesten Alaska und Kanadareise 😉
Einen schönen Ausblick hat man von hier aus, wow. Der Ort ist denn auch nicht gross und ich treffe relativ wenige Touristen. Er liegt auf 1010m über Meer und so ist die Temperatur hier etwas angenehmer als unten. Im Dragons Den sind viele Ausländer untergebracht. So ergibt sich am Abend an einem der Tische auf der Terrasse eine interessante Kombination: ein Franzose, ein Pärchen aus Malta, eine Polin, eine Niederländerin und ich als Vertreter der Schweiz, hehe.
Wir trinken ein paar Biere und tauschen uns aus. Wir erfahren einige sehr interessante Dinge über Malta, hehe. Alicja, die Polin möchte morgen früh den Sonnenaufgang von einem der nahe gelegenen Aussichtspunkte beobachten. Ich, der Franzose und die Niederländerin möchten uns anschliessen. Der Malteser sagt, er würde seinen Wecker auf 04:45 Uhr stellen, aufwachen, analysieren wie er sich fühle und dann entscheiden, hehe.
Am Mittwochmorgen, 09. August stehen Alicja, Yvonn und ich um 05:00 Uhr bereit. Noch fünf Minuten warten wir auf den Franzosen, der nicht auftaucht und machen uns dann auf den steilen Weg zum Aussichtspunkt.
Leider ist der Sonnenaufgang gar nicht rot, weil es sehr bewölkt ist, doch nichts desto trotz ist es ein schöner Anblick und wir können sogar eine Bäuerin bei ihrem Gang durch die Felder fotografieren.
Zurück im Dragons Den trinken wir einen Kaffee und frühstücken. Es gibt ein herrliches, English Breakfast, yummmyy! Und der Kaffee ist 1A! Yvonn geht dann duschen und da setzt sich Alicja neben mich hin und versucht mich zu überzeugen, gleich heute die berühmte Wanderung von hier nach Ping An zu machen.
„Heute ist es nicht heiss und wer weiss, was Morgen sein wird, komm schon, lass uns gehen.“
Ich bin beeindruckt von Alicjas Einstellung. Diese Frau ist seit einigen Wochen alleine unterwegs. Sie bereiste Russland und kam von Norden her nach China. Ich bin einverstanden und sehe auch für mich eine gute Option, da ich von Yangshuo noch einen ziemlichen Sonnenbrand an meinen Armen und Händen mitgebracht hatte. Heute ist es so bewölkt, dass sich die Sonne wahrscheinlich nicht oft zeigen würde.
Die Wanderung von Tiantouzhai nach Ping An soll rund 3 Stunden dauern. Man könne es auch in 2 schaffen, sagt uns eine Angestellte des Hostels. Mit einer Fotoanleitung, die ich von ihr per WeChat bekomme, machen wir uns um ca. 10:00 Uhr auf den Weg.
WeChat, ja. Das ist die chinesische Antwort auf Whatsapp, Facebook und co. Es ist hauptsächlich eine Chat App, die aber sehr praktische Zusatzfunktionen bietet. So kann man die App beispielsweise mit seinem chinesischen Bankkonto verknüpfen und Geld aufs Handy laden. Damit kann man dann praktisch überall bezahlen: Einkaufsläden, Hotels, Restaurants, Bahnhöfe, überall sind die QR codes angebracht, die man nur zu scannen braucht um zu bezahlen. Äusserst praktisch!
Wir wussten, dass es nicht Sonnenschein pur sein würde. Als es heftigst zu regnen beginnt, suchen wir Zuflucht unter einem Felsen und harren aus. Einige Zeit verbringen wir dort. Dann einigen wir uns darauf, noch 5 Minuten zu warten und dann zu sehen wie sich das Wetter entwickelt hat. Diese 5 Minuten wurden zum Standard, hehe.
Das Wetter war sehr unvorhersehbar und so zogen wir unsere Regenschutze immer wieder aus und wieder an. Die grossen Steine, die oft den Weg pflasterten, waren teilweise gefährlich rutschig. Zwischendruch trafen wir immer mal wieder Bauern und fragten sie, wie lange es bis Ping An noch ist. Verwirrenderweise meinte praktisch jeder von ihnen, dass es noch eine Stunde sei. Doch das auch noch, nachdem wir wieder eine halbe Stunde gelaufen waren.
Eine super Sache war, dass Yvonn gut Chinesisch spricht und versteht! Sie lebt und arbeitet seit 7 Jahren in Peking. So hatten wir unsere eigene Übersetzerin, sooo praktisch sage ich euch!
Der Weg war nicht einfach und vielerorts sahen wir frische Erdrutsche. Gegen Ende der Wanderung schüttete es nur noch aus Strömen. Die Sicht auf Ping An von einem der Aussichtspunkte war praktisch gleich null, da alles im Nebel und den Wolken lag. Nach mehr als 4 Stunden erreichten wir den Ort.
Ein kurzes Mittagessen und wir machen uns, bei totalem Regen auf den Weg zum grossen Parkplatz in Ping An, wo wir hoffen eine Transportmöglichkeit zurück zu bekommen. Ein Privatwagen bringt uns zum Parkplatz in Dazhai, wo wir dann wiederum die 40 Minuten bis zum Dragons Den laufen.
Total durchnässt kommen wir an. Meine Schuhe sind nur noch Wasser. Genauso wie meine Hosen. Ich bin überfroh wieder im Gasthaus zu sein, wo ich eine warme Dusche nehmen und einen Kaffee trinken kann.
Beim gemeinsamen Abendessen philosophieren Alicja, Yvonn und ich ein wenig über China und den Tag. Diese Wanderung war mystisch. Wir waren praktisch die ganze Zeit alleine und hatten die Natur für uns. Obwohl es geschüttet hat, war es sehr schön und die tief hängenden Wolken und den Nebel durch das Tal und die Wälder ziehen zu sehen, versetzte mich ins Staunen.
Morgen Donnerstag würden Alicja und Yvonn abreisen. Ich bleibe noch einen weiteren Tag. An diesem mache ich nicht viel ausser Serien gucken und meine Weiterreise planen.
Ach ja, am späten Nachmittag gab es noch einen Leitungsbruch in meinem Badezimmer.
So, das wars. Ich bin inzwischen in Chengyang in einem Dong Dorf untergebracht. Mehr dazu beim nächsten Mal 🙂