Die gewaltige Explosion
Dienstag, 09. Juni 2015. Es regnet. Was es laut dem Stefan Loose Reiseführer nicht sollte, da die Regenzeit auf Java, Indonesien vorbei ist. Trotzdem regnet es. In einem winzig kleinen Büsschen sind Patrizia und ich unterwegs zu einer Unterkunft. Wer ist Patrizia?
Sie war meine Freundin bis vor ein paar Jahren. Diese Information reicht um den Kontext zu verstehen, hehe. Wir wollen in den kleinen Ort Carita, an der Westküste Javas.
Ein zweites Pärchen befindet sich im engen, mickrigen Gefährt. Während unsere Ohren von lauter Musik von der gewaltigen Anlage im kleinen Fahrzeug beschallt werden, teilen sie ein paar Snacks mit uns.
Sie sind offensichtlich Muslime, denn das Weibchen trägt ein Kopftuch. Nichts Ungewöhnliches in Indonesien, dem bis dato bevölkerungsreichsten Muslimischen Land der Welt. Über 260 Millionen Mohammedaner – so wurden Muslime früher auch genannt – leben hier.
Es regnet noch immer, als wir das Fahrzeug verlassen und den Wegweisern zu unserer Unterkunft, der Back to Nature Eco Lodge – empfohlen im Loose Reiseführer Indonesien – folgen. Dort angekommen werden wir freundlichst von Edi begrüsst. Der Familienvater leitet den Ort und macht uns mit der Anlage bekannt.
Wir bekommen ein schönes Doppelzimmer mit einer Veranda, sehr stilvoll. Nach dem Abendessen buchen wir gleich eine Tour für den morgigen Tag. Zum Krakatau soll es gehen. Was das genau ist, erfahrt ihr später. Kurzerhand muss ich noch einen Flug buchen, da Patrizia und ich in zwei Tagen nach Karimunjawa, einer Inselgruppe nördlich von Java möchten. Die Buchungsseite von Garuda Indonesia – der staatlichen Airline Indonesiens – funktioniert auf dem Laptop, den ich von Edi ausleihen durfte, gerade nicht. Also müssen wir halt Lion Air fliegen, denn dort klappt der Kauf der Flugtickets. Dennoch war ich ein wenig auf dem Zahnfleisch.
Als wir vor ein paar Tagen in Jakarta angekommen waren, passierte mir ein blödes Missgeschick: meine Maestro Karte wurde vom ersten Bankomaten, den ich im Land probierte, eingezogen. Ich konnte die Transaktion nicht abbrechen und bekam die Karte nicht mehr. Nach stundenlangen Telefongesprächen und einigem hin- und her konnte ich die Karte am nächsten Tag beim Hauptsitz der Bank in einem anderen Stadtteil abholen.
Das hat vielleicht Nerven gekostet.
Am nächsten Morgen, Mittwoch, brechen wir auf. Auf zwei Rollern fährt man uns zum Strand, wo wir auf ein Boot umsteigen. Mit meiner weiblichen Begleitung und mir sind Edi, ein Bootskapitän und Edis Neffe.
Los geht’s durch den Morgennebel aufs offene Meer hinaus und schon nach kurzer Zeit rückt unser Ziel in Sicht: die grösste der vier Inseln. Sie sind alle Überreste des gewaltigen Vulkans, der hier einmal existierte, bis es sich 1883 in einer gewaltigen Eruption selbst zerstörte.
Am 27. August 1883 um 10:02 Uhr fand der gewaltigste Ausbruch statt. Der Knall dieses finalen Ausbruchs war fast 5000 km weit bis zur Insel Rodrigues im Indischen Ozean zu hören, gilt als das lauteste Geräusch, welches der Mensch je gehört hat, und stellt die größte Reichweite einer Schallwelle in der Luft dar.
Die Druckwelle der Explosion umlief die Erde insgesamt siebenmal, bis sie nicht mehr messbar war.
Der Krakatau schleuderte 20 km³ Asche und Gestein bis in eine Höhe von 25 km in die Erdatmosphäre. Das Äquivalent des Ausbruchs an Sprengkraft dürfte zwischen 200 und 2000 Megatonnen TNT gelegen haben, was etwa 10‘000 bis 100‘000 Hiroshima-Bomben entspricht.
Die Explosionen waren derart heftig, dass die dadurch ausgelösten Luftdruckschwankungen noch im 130 km entfernten Batavia (heute Jakarta) Fensterscheiben erzittern ließen und Gegenstände in den Häusern zu Boden fielen. Die unterirdische Magmakammer entleerte sich rasch und stürzte dann unter dem Gewicht der Deckenformation ein, woraufhin die Wassermassen des umgebenden Meeres schlagartig nachströmten.
Wie bei einer Implosion verursachte dieser Einsturz an den umliegenden Küsten eine stellenweise bis zu 40 Meter hohe Flutwelle (Tsunami).
Auf die Flutwelle folgten Ascheregen und pyroklastische Ströme – glühend heiße Gemische aus Gestein, Gas und Asche, welche Geschwindigkeiten bis zu 400 km/h und Temperaturen von 300 bis 800 °C erreichen können.
Diese elementaren Gewalten zerstörten auf den umliegenden Inseln 165 Städte und Dörfer und töteten insgesamt mindestens 36‘417 Menschen, darunter 37 Europäer. Selbst ein Dampfschiff wurde vier Kilometer weit landeinwärts geschoben. Von der Vulkaninsel blieb nahezu nichts mehr übrig, zwei Drittel der Insel versanken im Meer (Wikipedia).
Was übrig geblieben ist, empfinde ich nicht als wenig beeindruckend. Nach einer kurzen Schnorcheltour, bei der Patrizia viele, viele Fische sieht, die sie sehr erfreuen – ja, sie spricht unter Wasser durch einen Schnorchel – steigen wir mit Edis Neffen hinauf auf den Anak Krakatau. Das bedeutet soviel wie „Der Sohn des Krakatau“. Unser Führer trägt nur Flip Flops und ist so fit, dass er uns locker bergauf davonläuft, hehe.
Auch der Sohn ist heute noch aktiv, doch wesentlich kleiner, als sein Vater es war. Als wir wieder heruntersteigen und am Strand ankommen, sind Edi und der Kapitän bereits dabei frischen Fisch zu grillieren! Der Neffe hatte die Fische mit einer Harpune gefangen, während wir schnorchelten.
Es schmeckt herrlich, unvergleichlich. Die Sonne scheint hell über uns, als wir nach dem Mittagessen zurückkehren. Den Abend geniessen wir auf unserer persönlichen Veranda, bei trockenem Wetter.
Am nächsten Tag, dem Donnerstag, 11. Juni 2015, machen wir nicht viel. Eigentlich möchten wir seit längerem einen Blogbeitrag absetzen und uns bei unseren Familien und Freunden mit Fotos melden. Deshalb suchen wir ein Internetcafe und kombinieren dies mit einem Spaziergang durch Carita.
Kurz bevor wir aufbrechen, dämmert es mir, dass es höchstwahrscheinlich regnen würde. Doch Patrizia glaubt mir das nicht uns nimmt somit keine Regenjacke mit. Böser Fehler, denn wenige Minuten, nachdem wir losgelaufen sind, giesst es aus Strömen:
Schlussendlich finden wir ein Internetcafe und können einen Blogbeitrag posten. Somit endet unser Aufenthalt in Carita und an der Westküste Javas. Edi und seine Familie haben uns liebevoll umsorgt und sich wunderbar um uns gekümmert. Sie sind wahre Gastgeber. Morgen würden wir aufbrechen nach Karimunjawa. Es würde ein sehr, sehr langer Tag werden.